Der Sohn des Kreuzfahrers
Oberbefehlshaber einer Armee war und daß er durchaus Erfahrungen im Krieg gesammelt hatte.
So kam es, daß, als die beiden Neuankömmlinge und ihre Vasallen den Saal betraten, sie einen Kaiser vorfanden, der vor seinem Thron stand und den Eindruck erweckte, als wolle er sich im nächsten Augenblick auf sein Pferd schwingen und in die Schlacht reiten. Sein Verhalten ebenso wie seine Umgebung sprachen für einen Herrscher, der sich seiner Fähigkeiten durchaus bewußt war, seine Gefühle im Zaum halten konnte und wahre Macht ausübte.
Bohemund jedoch schien für Alexios' Schau unempfänglich zu sein. Stets der arrogante Normannenfürst, schlenderte er über den Marmorboden, stellte sich vor den Thron und blickte Gottes Stellvertreter auf Erden unverwandt in die Augen.
»So, Bohemund, du bist also zurückgekehrt«, sagte der Kaiser, unfähig, ein heuchlerisches Willkommen über die Lippen zu bringen. »Du hast dir ja schon immer gewünscht, in den Palast hineinzukommen; nach so langer Zeit scheint es, als hättest du endlich dein Ziel erreicht - anders als bei deinem letzten Besuch.«
Bohemunds Lächeln war breit und echt. »Seid gegrüßt, Alexios! Gott ist Euch wohlgesonnen, hoffe ich.« Er schaute sich um und bewunderte die üppige Architektur; selbst all seiner Schätze beraubt, war der Salomonsaal weit prächtiger als jede königliche Halle, die er bisher gesehen hatte. »Wenn ich bedenke«, sagte er in freundlichem Tonfall, »daß ich mit Freundschaft erreicht habe, was den Waffen nicht gelungen ist...«
»Du nennst dich Freund. Erkennen wir da etwa einen kleinen Gesinnungswandel?« spottete Alexios.
»Hier stehe ich vor Euch, mein Herr und Kaiser, Euer ergebener
Diener«, erwiderte Bohemund und breitete die Arme aus. Alexios bemerkte, wie groß diese Hände waren und wie kräftig diese Arme. »Ihr seht mich, wie ich bin.«
»Wir sehen dich in der Tat, Fürst Bohemund«, intonierte der Kaiser, »aber der Anblick löscht die Erinnerung an unsere letzte Begegnung nicht völlig aus.«
Noch während er die Worte sprach, versuchte Alexios abzuschätzen, ob und wenn ja, wie sehr sich der Mann wirklich verändert hatte. Die letzten zwölf Jahre hatten Roberts Sohn gutgetan. Aus dem großen, schlanken Jüngling war ein kräftiger Mann geworden; mit breiten Schultern und schmalen Hüften stand er auf langen, starken Beinen, und in seinen klaren blauen Augen zeigte sich nicht die geringste Spur von Sanftmut. Sowohl Kinn als auch Wangen waren glattrasiert, und im Gegensatz zu vielen anderen Franken trug er sein Haar nur schulterlang. Seine Bewegungen waren geschmeidig und voller Selbstvertrauen. Wäre nicht die unerträgliche Arroganz des Mannes gewesen, sein unbeugsamer Stolz und sein übertriebener Ehrgeiz, Alexios hätte in dem hochmütigen Fürsten tatsächlich einen Freund finden können.
»Aber das ist schon lange her, mein Herr und Kaiser«, erklärte Bo-hemund noch immer lächelnd. »Damals war ich nur ein Vasall im Dienste meines Vaters. Heute jedoch komme ich aus freien Stücken, um meiner Christenpflicht zu folgen, unseren gemeinsamen Feind zu vernichten und das Heilige Land unseres Herrn und Erlösers wieder in den Besitz von Gottes Gläubigen zu überführen.«
»Sei versichert, daß der Himmel bei dieser Aussicht jubiliert«, erwiderte Alexios und beschloß, möglichst schnell zum schwierigsten Teil der Audienz zu kommen. »Wir freuen uns stets, Männer mit solch edlen Zielen willkommen heißen und bei Uns aufnehmen zu dürfen. Aus diesem Grunde haben Wir ein kleines Geschenk vorbereiten lassen, um unseren freundschaftlichen Gefühlen Ausdruck zu verleihen.« Er winkte dem Magister Officiorum, der daraufhin vortrat, ein lackiertes Tablett in der Hand, auf dem zwei goldene Schüsseln voller Rubine und Saphire standen.
Alexios gestattete seinen Gästen, die Gaben eine Weile zu bestaunen; dann nickte er Theodosius, dem Logotheten des Symponos, zu. Der Beamte brachte das Dokument mit dem Treueid, auf dem bereits Hugos, Gottfrieds und Balduins Namen zu finden waren. Der Kaiser erklärte: »Damit wir alle brüderlich vereint werden, und ihr die Vorteile Unserer neugewonnenen Freundschaft in vollen Zügen genießen könnt, müßt ihr euch nur noch den anderen Pilgern in der Anerkennung unserer kaiserlichen Souveränität anschließen.«
Um seine Unabhängigkeit unter Beweis zu stellen und sich gleichzeitig das Wohlwollen des Kaisers zu sichern, sprach Tankred als erster. »Ich werde nur so lange zögern,
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