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Der Sohn des Sehers 01 - Nomade

Titel: Der Sohn des Sehers 01 - Nomade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Fink
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er sollte nicht damit rechnen, dass sie ihn noch als ihren Bruder betrachteten. Als sie in die Dunkelheit ritten, fragte sich Awin, wie die beiden sich dabei fühlen mussten.
    »Steh hier nicht herum und träume, Awin, Kawets Sohn. Wir haben eine Aufgabe zu erfüllen!« Es war die scharfe Stimme Currus, die ihn aus seinen Gedanken riss. Das Ritual! Curru war auch durch diesen Zwischenfall nicht von seinem Vorhaben abzulenken. Awin folgte seinem Meister. Die Krieger hatten den Kreis abgesteckt, aber noch nicht vollendet, weil Mereges Rückkehr die Arbeit unterbrochen hatte. Nun trieb Curru sie zur Eile. »Wir müssen diese Reise in der Nacht antreten und zurück sein, bevor es tagt. Dieser Kreis ist in der Nacht ein Leuchtfeuer, das deinen und meinen Geist hierher zurück führen wird. Bei Tag ist er jedoch nicht zu sehen.«
    »Hast du dieses Ritual schon einmal durchgeführt, Meister Curru?«, fragte Awin vorsichtig.
    »Nein, noch nicht, doch mein Meister, der große Kluwe, hat es getan, und er hat mir das Nötige erklärt. Auch war ich als junger Seher dabei, als ein Freund meines Meisters diese Reise antrat und nicht zurückfand. Also sei vorsichtig bei allem, was du tust!«
    »Ja, Meister. Das heißt - was muss ich denn tun?«
    »Eins nach dem anderen, junger Seher, eins nach dem anderen. Dies sind Dinge, die wir nicht vor den Ohren der Krieger besprechen sollten.« Und dann zeigte Curru den Männern,
wie hoch die Leine gespannt sein musste, damit die schwarzen Umhänge die Seher später vor der Außenwelt schützten. Und er trieb Tuwin zur Eile, denn über den Zwischenfall mit Merege hatte dieser seinen Auftrag mit den Schalen ganz vergessen.
    Mewe kam zu Awin. »Nun, junger Seher, jetzt ist es so weit.«
    »Was, Meister Mewe?«
    »Du wirst geweiht, oder nicht?«
    »Ich?«
    Mewe lächelte schwach. »Soweit ich weiß, dürfen nur geweihte Seher Rituale dieser Art durchführen, oder?«
    »Daran habe ich gar nicht gedacht, Meister Mewe.«
    »Dann musst du mich bald auch nicht mehr Meister nennen, und du wirst in Zukunft mit den Yamanoi reiten«, meinte der Jäger. Dann lachte er und sagte: »Bei deinem Ungeschick mit dem Bogen ist das sicher auch besser.«
    Awin antwortete nicht. Die Weihe. Das war etwas, das immer in weiter Ferne gelegen hatte. Und jetzt sollte es geschehen? »Meister Curru hat gar nichts gesagt«, wandte er ein.
    Mewe schlug ihm auf die Schulter. »Dein Meister ist durchdrungen von seiner eigenen Wichtigkeit. Er wird es dir schon noch sagen. Es ist aber auch schade.«
    »Schade?«
    »Du weißt doch sicher, dass du den Klan nach deiner Weihe verlassen musst, oder?«
    Awin erbleichte. Der Jäger hatte Recht. In so einem kleinen Klan wie dem ihren war kein Platz für zwei Seher. Solange Curru noch lebte, würde Awin sich einer anderen Sippe anschließen müssen. Aber den Klan verlassen? Was würde aus seiner Schwester werden?
    »Wenn du willst, kann ich mit Harbod reden. Er hält große Stücke auf dich, junger Seher.«
    »Meister Mewe, ich danke dir, aber noch bin ich nicht
geweiht. Außerdem, nach allem, was Curru gesagt hat, kann es doch durchaus sein, dass ich dieses Ritual nicht überlebe«, fügte er düster hinzu.
    Mewe lächelte. »Du scheinst ja mehr Angst vor der Weihe als vor dem Tod zu haben, junger Seher. Aber bereite dich jetzt lieber weiter vor. Ich werde mit dem Yaman reden. Eris Vergehen hat ihn hart getroffen. Er braucht Zuspruch, und ich denke, es spielt keine Rolle mehr, dass er seinem Jäger am Morgen noch zürnte.«
    Awin nickte verunsichert. Vorbereiten? Wie sollte er sich auf etwas vorbereiten, von dem er keine Ahnung hatte, was es war? Curru hatte nie mit ihm über die Weihe gesprochen. Und jetzt dieses gefährliche Ritual? Mewe hatte Recht, er musste sich sammeln. Also tat er das, was er immer zu tun pflegte, wenn er beunruhigt war oder ihm etwas auf der Seele lag. Er ging, um sich um sein Pferd zu kümmern. Der Schecke war ihm schon ans Herz gewachsen. Er würde Bale am Ende des Kriegszuges fragen, was er für ihn haben wollte. Plötzlich tauchte Merege bei ihm auf. »Ihr wollt einen Ritus durchführen?«, fragte sie und kam damit ohne Umwege auf den Punkt.
    Awin streichelte den Hals seines Pferdes. Er zögerte mit der Antwort, aber dann sagte er: »Es ist das Ritual der Reise. Meister Mewe meint, damit würde ich auch meine Weihe zum Seher erhalten.«
    »Mewe ist kein Seher, was versteht er denn davon?«
    »Mehr, als du denkst«, entgegnete Awin und runzelte die Stirn. Das

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