Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Sohn des Sehers 01 - Nomade

Titel: Der Sohn des Sehers 01 - Nomade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Fink
Vom Netzwerk:
Mädchen hatte leider die Angewohnheit, gute Fragen zu stellen. Mewe verstand schließlich wirklich nichts davon. Vielleicht würde er diese Reise antreten, und Curru würde ihm trotzdem die Weihe verweigern.
    »Was ist es für ein Ritual?«, fragte sie.
    »Ich weiß es nicht genau, es hat etwas damit zu tun, dass der
Geist auf eine Reise geschickt wird. Es heißt, das Gestern, das Heute und das Morgen würden dabei offenbart.«
    Merege überlegte eine Weile, dann erwiderte sie: »Du solltest darauf achten, was dein Meister tut.«
    »Das muss ich wohl, denn ich habe ja keine Ahnung, wie …«
    »Nein, Awin, das meinte ich nicht. Du musst darauf achten, was er tut, nicht, was er dir sagt, verstehst du?«
    Sie hatte ihn zum ersten Mal mit dem Vornamen angesprochen und sah besorgt aus. Er nickte ernst, auch wenn er nicht die leiseste Ahnung hatte, was sie meinte. Jemand am Lagerfeuer rief ihn. Es war der Yaman. Er winkte zum Zeichen, dass er verstanden habe. Als er sich wieder umdrehte, war Merege verschwunden.
    »Du hast mit der Kariwa gesprochen?«, fragte Yaman Aryak mit gepresster Stimme.
    »Ja, ehrwürdiger Yaman.«
    »Wenn du sie wieder sprichst, bitte sie in meinem Namen noch einmal um Vergebung. Eri wird für seine Tat angemessen bestraft werden, und es wird sich nicht wiederholen.«
    »Ja, ehrwürdiger Yaman.« Awin hätte gerne gewusst, wie diese Strafe aussehen sollte, aber er wagte nicht, danach zu fragen.
    »Nichts ist, wie es sein sollte, Awin, Kawets Sohn. Seit der Fremde den Lichtstein gestohlen hat, scheint das Glück unseren Klan verlassen zu haben. Ich hoffe, Curru und du, ihr könnt uns helfen, den Stein wiederzuerlangen.«
    Awin nickte.
    »Curru sagt, dass dieses Ritual den geweihten Sehern vorbehalten ist. Wenn du es überlebst, wirst also auch du ein Seher sein.«
    »Ich weiß nicht, ob mein Meister das auch so sieht, ehrwürdiger Yaman.«

    »Ich habe lange mit ihm darüber gesprochen. Er sagt, es sei eigentlich zu früh für dich, aber ich sage, dass vier Augen mehr als zwei sehen. Ich weiß nichts über die Art eurer Unternehmung, doch ich hoffe, ihr werdet Antworten auf unsere Fragen finden. Curru behauptet, dass dies möglich ist.«
    »Das hoffe ich, ehrwürdiger Yaman.«
    Aryak starrte ausdruckslos in die Nacht. »Curru meint, dass er bei Tagesanbruch wissen wird, ob der Fremde im Haus des Raik der Gesuchte ist. Und er wird wissen, wo der Heolin ist. Du musst ihm dabei helfen, hörst du?«
    Der Yaman packte Awin am Arm. Der Druck war fast schmerzhaft. Awin nickte. »Und noch etwas, junger Seher - suche meinen Sohn Eri, wirst du das für mich tun?«
    »Ist er noch nicht zurück, ehrwürdiger Yaman?«
    Aryak schüttelte den Kopf. »Ebu und Ech suchen noch nach ihm. Sie sind gute Söhne und auch Eri, er ist …« Der Yaman schüttelte den Kopf und beendete den Satz nicht. »Er ist jung. Ich nehme an, er weiß inzwischen, was er angerichtet hat. Er wird sich vor Scham irgendwo verstecken, sonst hätten ihn seine Brüder doch längst gefunden, es sei denn …« Er zog Awin nah an sich heran und senkte seine Stimme. »Vielleicht hat die Kariwa gelogen und ihn getötet. Dann finde seinen Leichnam. Ergründe, was geschehen ist, wirst du das für deinen Yaman tun?«
    »Ja, ehrwürdiger Yaman, wenn ich es kann.«
    »Du kannst es«, flüsterte der Yaman, »und vielleicht schon besser als dein Meister. Enttäusche mich nicht! Aber jetzt geh, Curru wartet schon.«
    Awin war froh, als diese Unterhaltung beendet war. Es schmerzte, den Yaman so bekümmert zu sehen. Aber es war auch erdrückend, welche Hoffnungen das Oberhaupt seines Klans in ihn setzte. Er wusste doch gar nicht, was dieses Ritual genau
war, und konnte nicht sagen, ob er in der Lage sein würde, all die offenen Fragen zu beantworten. Nach dem, was Curru angedeutet hatte, stellte er es sich ein wenig wie einen Traum vor.
    Sein Ziehvater erwartete ihn am Speerkreis. Bis Brusthöhe reichten die schwarzen Mäntel, die die Männer zwischen die Speere gespannt hatten. Sie hatten sich versammelt, nur der Yaman und seine Söhne fehlten. Und auch von Merege war nichts zu sehen. Curru zog Awin in das Innere des Kreises und steckte den letzten Speer in die Erde. Er war nun geschlossen. »Geht jetzt, ihr Krieger«, sagte Curru, »niemand darf sich uns nähern, gleich, was ihr auch hören möget. Erst wenn der Tag anbricht, darf der Kreis geöffnet werden, von uns, wenn wir können, von euch, wenn wir es nicht mehr vermögen. Und nun lasst uns

Weitere Kostenlose Bücher