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Der Sohn des Sehers 01 - Nomade

Titel: Der Sohn des Sehers 01 - Nomade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Fink
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und obwohl Awin noch nie so weit im Süden gewesen war, erkannte er den Dhanis, der sich in weiten Schleifen durch die grüne Landschaft wand. Der Feind, denk an den Feind , mahnte seine innere Stimme. Aber Awin konnte nicht denken. Der Anblick der dahinfliegenden Landschaft verschlug ihm den Atem. Er blinzelte. Der Wind, der eben noch an ihm gezerrt hatte, war plötzlich verstummt. Awin fand sich in den Schwarzen Bergen wieder, auf einem steilen Abhang über dem Grastal. Da war Elwah, der mit seinem Jüngsten sprach und ihn fortschickte. Etwas stimmte nicht. Es war, als würde die Zeit springen. Eben noch war der kleine Lewe bei Elwah gewesen, jetzt sah Awin mit offenem Mund, wie der Knabe in einem Seitental verschwand. Ein paar kleine Steine bewegten sich unter Awins Füßen und rollten ins Tal hinab. Elwah blickte zu ihm auf. Awin hob unwillkürlich die Hand zum Gruß, aber der Hakul schien ihn nicht zu sehen, er wandte sich ab und machte sich auf den Weg ins Tal. Awin rief, aber Elwah hörte nicht. Stöhnend fiel Awin auf die Knie. Er musste ihn doch warnen! Ein leises Murmeln erklang hinter ihm. Er fuhr herum. Da saß Curru, die Augen fest geschlossen, das Gesicht wachsbleich, und flüsterte leise Worte, die Awin nicht verstand.
    Es donnerte zweimal - laute, mächtige Donnerschläge. Awin blickte zum Himmel, doch der war wolkenlos und blau. Er wollte
seinen Meister ansprechen, aber dann fand er sich plötzlich auf der anderen Seite des Tals wieder. Curru war verschwunden. Ein Schatten schlich durch die Nacht. Da saß sein Freund Anak, er hatte sich an einen Stein gelehnt und war eingeschlafen. Awin schrie, doch sein Freund hörte ihn nicht. Der Schatten erreichte den Schlafenden, ein Arm zuckte nach vorn, und Awin wandte sich entsetzt ab. Eine Düne. Er stand am Fuß einer glühend heißen Sanddüne. Awin drehte sich noch einmal um, er musste doch etwas tun können! Aber da waren nur die roten Felsen des Glutrückens, das nächtliche Tal war verschwunden. Wieder ein lauter, doppelter Donnerschlag. Aber das war gewiss kein Donner, es klang verzerrt. Awin fühlte das Blut in seinem Kopf rasen. Er hörte aus der Ferne ängstliches Wiehern und aufgeregte Rufe. Er folgte den klagenden Lauten, stolperte die Düne empor. Dort in großer Entfernung sah er einen Mann, der gerade von seinem Pferd sprang und auf ein Loch im Boden zulief. Jemand versank darin. Das war sein Traum! Das Versinken im Sand, das hatte er gesehen. Doch dieses Mal war er es nicht selbst, der dort vom Sand verschlungen wurde. Der Reiter sah zu, wie sein Gefährte versank. Awin war zu weit entfernt, um Einzelheiten zu erkennen. Er spürte jemanden neben sich, blickte zur Seite. Dort stand Senis - die junge Senis - und beobachtete den Fremden. Er wollte sie ansprechen, doch dann stand er plötzlich vor einer Lehmmauer. Wo war er nun?
    Es war Nacht. In der Nähe erklang eine wohltönende Stimme. Awin lauschte. Jemand erzählte, wie der Kriegsgott Strydh die Menschen verführte und seine Geschwister, die Hüter, betrog. Er folgte der Stimme. Da saßen ein paar Krieger und lauschten dem Erzähler, einem Blinden. Ein Schiff war am Ufer vertäut. Dann waren plötzlich alle bis auf den Blinden verschwunden, und Awin hatte das Gefühl, dass der Erzähler ihn aus seinen leeren Augenhöhlen anstarrte. Donnerschlag,
Hufschlag. Da kam ein Reiter. Awin konnte ihn nicht erkennen, denn Dattelpalmen versperrten ihm die Sicht. Als er sich weiter vorbeugte, ging plötzlich rasend schnell und donnernd die Sonne auf. Männer lachten. Sie führten ein Mädchen vom Schiff. Sie war jung, mager, ihre Augen von auffälligem Grün. Das Bild sprang, und plötzlich überreichte jemand dem Händler einen fein gearbeiteten Dolch. Awin sah den Geber nur von hinten. Aber es war der Feind, da war er sicher. Vielleicht siehst du nur, was du sehen willst , warnte seine innere Stimme. Er schüttelte unwillig den Kopf.
    Nacht. Da saß Eri keine Armlänge von ihm entfernt im Schilf des Flusses versteckt und hielt seinen Bogen auf den Knien. Die Sehne war gerissen, und der Knabe starrte ausdruckslos auf den Strom hinaus. Es donnerte, Awin drehte sich um. Er sah Ebu und Ech am Rande des Schilfs entlanggaloppieren. Verfolgten sie jemanden? Awin reckte den Hals, um über das Schilf hinwegzusehen und fand sich plötzlich auf dem schmalen Grat eines Hügels. Er ächzte, denn der rasche Wechsel der Bilder war wie ein Wirbel, der ihn fortzuschleudern drohte. Er hielt sich unwillkürlich an einem

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