Der Sohn des Sehers 01 - Nomade
nicht, dass auch nur einer darauf eingeht.«
Harbod sprach mit seinen Kriegern. Wie er es vorhergesagt hatte, wollte keiner den Sger verlassen.
Yaman Aryak nahm es mit einem knappen Nicken zur Kenntnis, und Curru sagte: »Ich bin erfreut, dass ich mich so in dir getäuscht habe, Harbod.«
Harbod grinste dünn. »Ich tue das ganz bestimmt nicht dir zuliebe, Seher, und auch nicht für deinen Yaman, aber dieser Priester verleumdet auch mich und meine Brüder. Und das kann ich nicht hinnehmen.«
Der Yaman rief sie zusammen. »Nun, Hakul, jetzt ist es an uns, die Ehre unseres Stammes zu verteidigen, die der Heredhan so leichtfertig verkaufen will.«
»Hakul!«, antworteten die Krieger wie aus einem Mund.
»Auf die Pferde, Männer, bereitet euch auf die Schlacht vor!«
Sie stiegen auf, prüften ihre Waffen und den Sitz ihrer leichten Rüstungen und schickten stumme Gebete an die Götter, ihnen Mut zu verleihen. Dann bildeten sie die Schlachtreihe. Der Wind zerrte an ihren Umhängen.
Der Yaman ritt noch einmal ihre Reihe ab. Sie war kurz geworden. Nur vierzehn Krieger waren es, die Aryak jetzt ernst musterte. Bei Awin hielt er noch einmal an. »Ich hoffe, du hast meinen Befehl nicht vergessen, Kawets Sohn?«, fragte er.
Awin schüttelte den Kopf.
»Dann befolge ihn auch. Wir werden dir Zeit verschaffen.«
»Ja, ehrwürdiger Yaman«, erklärte Awin bedrückt. Er schielte hinüber zu den Felsen. Irgendwo dort drüben musste Merege stecken. Sie hatte alles Recht der Welt, sich aus diesem Streit herauszuhalten. Außerdem - was könnte ein einzelnes Mädchen schon ausrichten?
Der Yaman hielt in der Mitte ihrer kurzen Reihe und betrachtete die bronzene Scheibe an der Sgerlanze, die Curru stolz aufgerichtet hatte. »Der Priester war so großzügig, uns eine Stunde Frist zu gewähren«, rief er. Isparra wehte Sand über die Ebene. Sie war wieder stärker geworden, aber Awin schickte trotzdem ein stummes Gebet an Fahs, den Hüter der Winde, er möge doch wieder den wütenden Nyet entfesseln. Er blickte hinüber zur Reihe der Streitwagen. Hinter den Staubschleiern sah er Schemen hin und her laufen. Einige schienen sich um die Streitwagen in der Mitte versammelt zu haben. Yaman Aryak lächelte. »Ich dagegen habe weder Horket noch den Akkesch eine Frist eingeräumt. Was meint ihr, Männer, wollen wir den Feind überraschen?«
Die Krieger sahen einander an. Das Lächeln des Yamans wirkte ansteckend. »Ich denke, wir sollten ihre Reihe durchbrechen und herausfinden, wie beweglich ihre Streitwagen sind, was meint ihr, Männer?«
»Hakul!«, lautete die einstimmige Antwort.
»Dann macht euch bereit für Kampf und Tod, kämpft, solange ihr Pfeile für euren Bogen habt. Danach seht, ob Tengwil euch nicht doch euren Frauen und Müttern erhalten will. Denjenigen aber, die heute ihr Leben geben, verspreche ich: Wir werden uns auf den immergrünen Weiden der nächsten Welt wiedersehen. Und ihr werdet mit mir in Marekets Gefolge reiten!«
»Hakul!«, riefen die Männer.
Die Yamanoi befestigten die Kriegsmasken an ihren Helmen und griffen zu ihren Speeren. Awin spürte sein Herz schlagen. Eine fiebrige Erregung, stärker noch als Jagdfieber, ergriff ihn. Vergessen war der Befehl des Yamans, vergessen der Heolin. Er fühlte sich zum Bersten lebendig, das Blut rauschte durch seine Adern, und er vergaß, dass er und die anderen in den fast sicheren Tod ritten.
»Hakul!«, rief Aryak.
»Hakul!«, klang es dumpf durch die Kriegsmasken, und dann stürmten sie in vollem Galopp auf den Feind los.
Isparra war auf ihrer Seite. Ihre Sandwolken verschleierten den Akkesch ihre Vorbereitungen, und jetzt ritt sie mit ihnen und schleuderte ihren Feinden Staub in die staunenden Gesichter. Der Yaman hatte Recht, die Akkesch waren nicht auf ihren Angriff gefasst. Als Awin auf sie zuflog, sah er, dass die meisten von den Wagen abgestiegen waren. Einige kümmerten sich um die Pferde, andere schienen sich für die Schlacht zu stärken. Doch die Schlacht wartete nicht, sie kam über sie in der Gestalt einer Handvoll Hakul, die die lange Reihe ihrer Streitwagen
durchbrachen. Die Jungkrieger sandten im vollen Galopp Pfeil um Pfeil hinüber. Awin konnte nicht erkennen, ob sie etwas trafen. Isparra war eine unzuverlässige Verbündete, sie verwehte jeden noch so gut gezielten Schuss. Die Yamanoi senkten ihre Speere zum Stoß. Awin hielt auf einen Akkesch zu, der bei seinen Pferden stand, den Wasserschlauch in der Hand, und ihn ungläubig
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