Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Sohn des Sehers 01 - Nomade

Titel: Der Sohn des Sehers 01 - Nomade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Fink
Vom Netzwerk:
Versuchung widerstehen könnte. Aber jetzt eile. Und erwartet mich hier.«
    Awin musste nicht weit reiten, denn der Sger hatte sie fast eingeholt. Kurz berichtete er dem Yaman von den Fremden, die am Knochenwasser lagerten, und von dem, was Mewe gesagt hatte. Der Yaman nickte nur, aber Curru hatte noch Fragen: »Und die Zeichen, junger Schüler? Was sagen die Zeichen?«
    »Ich weiß nicht, welche Zeichen du meinst, Meister«, antwortete Awin verunsichert.
    »Das Gras, war es geneigt oder aufgerichtet? Waren Vögel über dem Wasser? Und die Ochsen, weideten sie einträchtig nebeneinander, oder waren sie einander zugewandt? Kennst du die Zeichen nicht, wenn du sie siehst, Awin, Kawets Sohn?«
    »Ich … ich habe nicht darauf geachtet, Meister«, gab Awin stotternd zu.
    »Nun, es ist gut, ich mache dir keine Vorwürfe, Awin. Du bist jung und leider blind für das Offensichtliche. Aber ich werde es ja selbst bald sehen und die Schlüsse ziehen, die du nicht zu ziehen vermagst.«
    »Ja, Meister«, antwortete Awin verdrossen.
    »Weiter jetzt«, befahl der Yaman.
    Sie zogen bis zu dem Felsen, an dem sie auf Mewe warten sollten. Eri kam zu seinem Vater und schlug vor, sofort über den Kamm zu reiten und die Fremden ohne Vorwarnung anzugreifen.
»Dies ist unsere Wasserstelle, Baba. Sie haben dort nichts verloren. Sicher haben sie dem Fremden geholfen. Wir sollten sie töten.«
    »Nein, mein Sohn. Nach dem, was unsere Späher meldeten, können es nicht mehr als zwei oder drei sein, einer davon ein altes Weib. Wir wollen sie befragen, nicht töten oder zu Tode erschrecken.«
    »Aber sind sie nicht auf unserem Land? Gehört daher nicht alles, was sie mitführen, von Rechts wegen uns, Baba?«, fragte der junge Hakul.
    Sein Vater lächelte. »Wie ich sehe, kennst du unsere Gesetze, mein Sohn. Dann weißt du hoffentlich auch, dass wir fahrende Händler nicht berauben. Wir werden also erst herausfinden, mit wem wir es zu tun haben, bevor wir entscheiden, wie wir mit ihrem Besitz verfahren.«
    »Ja, Baba«, lautete die enttäuschte Antwort.
    Kurze Zeit später kam Mewe von seiner Erkundung zurück. »Ich kann keine Spur von Pferden dort finden. Wenn er hier war, dann hat der Feind das Knochenwasser verlassen, bevor Nyet diesen Ort streifte.«
    Der Yaman nahm die Nachricht ohne sichtbare Regung auf. »Wir werden die fragen, die dort lagern. Dann werden wir Klarheit haben. Wir reiten in Schlachtreihe, denn sie sollen wissen, dass es uns ernst ist. Aber wir werden ohne Kriegsmaske reiten, und niemand greift sie an, wenn ich es nicht sage. Ist das klar, ihr Krieger?«
    Die Männer antworteten mit einem vielstimmigen »Hakul!«. Auf Heimlichkeit kam es jetzt nicht mehr an. Sie stellten sich auf wie zur Schlacht, die Jungkrieger, die Hand an der Bogensehne, auf den Flügeln, die erfahrenen Speerträger mit dem Yaman in der Mitte. Curru richtete die Sgerlanze auf. Die bronzene Scheibe mit dem Symbol ihres Klans blitzte hell in der tief stehenden
Sonne. Sie rückten im Schritt vor. Oben auf der Düne hielten sie. Dort unten stand der Karren. Ein kleines Feuer flackerte davor. Die weißhaarige Gestalt saß daneben und schien in einem Topf eine Mahlzeit vorzubereiten. Sie blickte kurz auf, als sie die Hakul sah, aber dann kümmerte sie sich wieder um ihr Essen. Die Hakul warteten. Offenbar verfehlte ihr kriegerischer Auftritt seine beabsichtigte Wirkung. Vielleicht lag es an den Pferden, denn die waren durstig und wurden unruhig, als sie das nahe Wasser witterten. Der Yaman wartete eine Weile mit unbewegter Miene, dann gab er das Handzeichen, und sie ritten langsam hinab.
    Sie waren Hakul, und sie brauchten keine Befehle, um zu wissen, was sie zu tun hatten. Als sie die Pferde anhielten, hatten sie Wagen und Lagerfeuer eingekreist. Die bucklige Frau bequemte sich nun dazu, sich doch zu erheben. Ihr Haar war schneeweiß und hing in zwei schweren Zöpfen wirklich bis fast auf den Boden. Ihre Kleidung war schlicht und von grauer Farbe, vielleicht etwas zu schwer für die Wüste. Sie trug keine Waffen, nicht einmal ein Messer steckte in ihrem Gürtel. Am bemerkenswertesten aber war ihr Gesicht und darin wiederum die Augen. Sie waren hellblau, so hell, dass es beinahe Weiß war. Ihr rundes Gesicht war bis auf ungezählte Fältchen um die Augen ganz glatt und von frischem Rot. Dennoch spürte Awin sofort, dass er wohl noch nie in seinem Leben einem so alten Menschen begegnet war.
    »Sie sehen durstig aus, eure Pferde, wollt ihr sie nicht

Weitere Kostenlose Bücher