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Der Sohn des Sehers 01 - Nomade

Titel: Der Sohn des Sehers 01 - Nomade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Fink
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tränken?«, begrüßte die Alte sie freundlich.
    »Ich bin Yaman Aryak, und dies ist der Sger vom Klan der Schwarzen Berge. Du hast dein Lager an unserem Wasser aufgeschlagen«, entgegnete der Yaman.
    »Ich grüße dich und die deinen, Yaman Aryak. Ich denke, es ist genug Platz für uns und für euch.«

    Gerade, als Awin sich fragte, wer denn mit »uns« gemeint war, teilten sich die ledernen Häute, die das Innere des Karrens vor fremden Blicken verbargen, und eine junge Frau kletterte auf den schmalen Kutschbock. Sie war in vielem das genaue Gegenteil der Alten. Sie war schlank, hochgewachsen und ihr langes Haar so rabenschwarz, wie es bei den Hakul nur alle hundert Jahre einmal vorkam. Gegen die kräftigen roten Wangen der Buckligen wirkte ihr schmales Gesicht ungewöhnlich blass. Die Augen jedoch, die waren fast so hell wie die der Alten. Sie trug ein langes schwarzes Gewand, und an ihrem Gürtel baumelte eine Waffe. Ein Schwert, vermutete Awin, obwohl die Form der Schwertscheide ungewöhnlich war. Die Waffe schien gerade und sehr schmal zu sein, ohne den Bogen, der den Sichelschwertern der Hakul ihre Stärke gab. Sie schien weder überrascht noch besorgt darüber zu sein, dass fünfzehn schwer bewaffnete Hakul-Krieger sie anstarrten.
    »Sind hier noch mehr von euch?«, fragte der Yaman streng.
    Die Alte lachte heiser. »Sind wir dir nicht genug, Yaman Aryak von den Schwarzen Bergen? Aber nein, wir sind nur zu zweit, und deine Krieger brauchen keine Angst vor uns zu haben.«
    Die Männer wurden unruhig. Angst? Vor zwei Frauen? Es sollte doch wohl eher umgekehrt sein. Wusste die Alte nicht, wer die Hakul waren?
    Der Yaman wirkte ebenfalls verblüfft. Sah die Bucklige nicht, dass ihr Leben in seinen Händen lag?
    »Du bist seltsam, Alte. Sag mir endlich deinen Namen und den dieses Mädchens, denn ich muss wissen, mit wem ich es zu tun habe.«
    »Dann höre, Yaman Aryak. Ich bin Senis von den Kariwa, und dies dort ist meine Ahntochter Merege. Wir sind Reisende und suchen keinen Streit mit euch.«

    »Kariwa?«, fragte Aryak ungläubig. »Dann seid ihr weit von eurer Heimat entfernt. Was führt euch an unsere Wasserstelle?«
    Auch Awin war erstaunt. Er hatte bisher nur Geschichten über dieses Volk gehört, die die Alten am Lagerfeuer erzählten. Angeblich lebten die Kariwa am nördlichen Rand der Welt in Häusern aus Eis.
    »Was uns herführt? Unser Weg, Yaman, nur unser Weg. Wir wollen nach Süden, wenn du es unbedingt wissen willst. Bis ans Schlangenmeer und vielleicht noch weiter.«
    »Nach Süden? Durch die Slahan? Das werden eure Ochsen kaum schaffen, Senis von den Kariwa.«
    »Sie haben uns den ganzen Weg bis hierher gebracht, und ich denke, sie werden uns auch weiter gute Dienste leisten. Doch jetzt frage ich dich noch einmal - willst du deine Pferde nicht endlich trinken lassen, Yaman Aryak? Sie haben Durst, und der Anblick jammert mich. Dann können sich deine Krieger gerne an unser Feuer setzen. Die Nacht ist nicht mehr fern.«
    »Es kommt nicht oft vor, dass ich auf meinem eigenen Land eingeladen werde«, entgegnete der Yaman kühl. »Wir werden uns jedoch nicht lange hier aufhalten, denn wir suchen zwei Reiter.«
    »Ich wünsche euch, dass ihr sie findet«, entgegnete die Alte.
    Die Hakul hatten bislang dem Gespräch ohne sichtbare Regung gelauscht. Steif hatten sie auf ihren Pferden gesessen, die Hand als stumme Drohung an der Waffe, und darum bemüht, die durstigen Tiere ruhig zu halten. Nun löste sich einer aus dem Kreis. Es war Ebu. Er schnalzte mit der Zunge und lenkte sein Pferd zum Wagen. Das blasse Mädchen stand dort auf dem Kutschbock. In ihren ebenmäßigen Zügen war immer noch keine Spur von Sorge zu erkennen. Aryak runzelte missbilligend die Stirn, als er seinen Sohn sah, aber er sagte nichts. Awin dachte, dass wohl kein anderer Hakul das hätte
wagen dürfen, aber Ebu war nicht irgendein Krieger, er war der älteste Sohn des Klanoberhauptes, und er war mit grenzenlosem Selbstvertrauen gesegnet - auch was Frauen betraf. Er setzte sein gewinnendes Lächeln auf, hielt sein Pferd dicht am Karren an, nahm seinen Speer in die Schildhand, streckte seine Rechte aus und sagte: »Kann ich dir herunterhelfen, Merege von den Kariwa?«
    Die Augen des Mädchens wurden schmaler. Sie zögerte einen Augenblick, dann antwortete sie, doch sprach sie so leise, dass Awin sie nicht hören konnte. Plötzlich bockte Ebus Pferd, sprang mit steifen Beinen in die Luft, und sein Rücken bog sich zu einem

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