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Der Sohn des Sehers 03 - Renegat

Titel: Der Sohn des Sehers 03 - Renegat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Fink
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setzte einen Schlag lang aus. Er lauschte: nur erdrückende Stille, und darüber der Tritt von Stiefeln im Laub. Sie waren nicht weit entfernt. Awin packte das Halfter seines Braunen fester und stolperte in die Richtung, aus der die Geräusche kamen. Aus irgendeinem Grund scheute er sich davor zu rufen. Es war wie verhext, er konnte die Schritte hören, aber er schien den Abstand nicht verkürzen zu können. Er blieb noch einmal stehen. Die Schritte klangen anders. Dann fiel ihm auf, dass er keine Pferde mehr hörte. Er erbleichte. Er folgte hier nicht seinem Sger - sondern den Unsichtbaren, die vor ihm durch den Wald huschten. Lockten sie ihn etwa in eine Falle? Ein süßer Ton stieg wie aus dem Nichts auf. Das war kein Wolf. Das war eine Flöte. Es klang nah. Awin drehte sich um und rannte in die entgegengesetzte
Richtung. Er lief, zerrte seinen Braunen durch das Unterholz, bis er völlig außer Atem war, dann blieb er keuchend stehen. Kein Ton drang mehr durch den Nebel zu ihm. Er hatte seine Gefährten verloren.
    Awin sammelte sich, es würde nicht helfen, wenn er die Nerven verlor. Er war ein Krieger der Hakul, er fürchtete sich nicht. Mit belegter Stimme rief er nach seinen Gefährten. Es kam keine Antwort, und jeder Ruf, ja, jeder Atemzug, schien den wallenden Nebel noch zu verstärken. Dann war ihm, als würde er in der Ferne leise Stimmen hören. Er rief wieder, bekam keine Antwort, aber er zog trotzdem sein Pferd in die Richtung, in der er die Stimmen vermutete. Es war ein gedämpftes Murmeln. Vielleicht eine Beratung? Bald erkannte er jedoch, dass es ein Bach sein musste, der dort im Nebel wisperte. Der Bach? Er blieb stehen. Waren sie nun so lange gelaufen, um dann doch wieder an jenem unglückseligen Gewässer anzugelangen, das sie zu diesem Umweg genötigt hatte? Er blieb stehen und rief wieder und wieder. Lange Zeit kam keine Antwort, aber dann war ihm, als würde er eine helle Stimme hören. Er lauschte angestrengt. Da, eine Stimme rief seinen Namen. Es war eine Frauenstimme. Da war er sich nun sicher. »Merege? Wela?«, rief er in den Dunst. Ein kleines Licht flackerte durch den Nebel. »Merege? Bist du das?«
    Sie musste es sein, vermutlich versuchte sie, dieses alles verschlingende Weiß mit einem Lichtzauber zu durchdringen. Er lief in die Richtung, aus der das Flackern gekommen war. Wieder zuckte eine kleine Flamme durch den Wald und für einen Augenblick traten die Umrisse der Bäume klarer hervor. Feuer , dachte Awin. Warum haben wir keine Fackeln entzündet?
    »Merege?«, rief er heiser. Ein dunkler Flötenton wehte heran und verging im Nebel. Es war unmöglich, auch nur die Richtung zu bestimmen, aus der dieser Laut gekommen war. Awin hielt
inne und lauschte. Wieder ein klagender Ton. Sein Pferd wurde unruhig. Witterte es vielleicht Gefahr? Jetzt waren Geräusche im Nebel. Ein Atmen. Nein, ein Keuchen, ein Hecheln - von Wölfen! Das Feuer - Wölfe fürchteten das Feuer. Awin zerrte sein Pferd in die Richtung, in der er die Flamme zuletzt gesehen hatte. Sie war wieder verschwunden. Leise Geräusche folgten ihm durchs Laub. Waren das die Wölfe, die ihn jagten, oder die Unsichtbaren, die schon Raiwe verschleppt hatten? Wieder flackerte es hell. Das Feuer. Es musste einfach Merege sein. Wenn er die Flammen schon sah, konnte die Kariwa doch nicht weit sein. Es ging einen steilen Hang hinauf. Awin stolperte durch das Unterholz voran, ohne Rücksicht auf die Äste, die ihm ins Gesicht schlugen. Wieder flackerte ein Licht auf. Es war jetzt wirklich viel näher. »Merege?«, rief er wieder.
    Warum antwortete sie denn nicht? Awin rutschte eine Böschung hinab, sein Pferd schnaubte unwillig und ängstlich. Ein heiseres Knurren klang durch den Nebel. Awin legte die Hand auf sein Schwert und hastete weiter. Er stieß auf einen Pfad und versuchte, es als gutes Zeichen zu nehmen. Plötzlich traten vor ihm zwei mächtige schwarze Schatten aus dem Nebel. Es waren zwei große Felsen, die ihm einen schmalen Durchlass anboten. Wie hoch sie waren, konnte Awin nicht einmal schätzen, denn der Nebel verbarg den größten Teil vor ihm. Von der anderen Seite der Spalte leuchtete es hell herüber. Ein dunkler Flötenton schwebte aus dem Nebel heran. Wölfe antworteten heulend. Sie waren überall. Awin wusste nun, wo er war. Er hatte die Riesenfelsen gefunden. Und nun fürchtete er sich doch.

Norgis
    AWIN VERSUCHTE, SEIN Pferd zu beruhigen, dabei brach ihm selbst der kalte Schweiß aus. Jenseits der Felsen schien

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