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Der Sohn des Sehers 03 - Renegat

Titel: Der Sohn des Sehers 03 - Renegat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Fink
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Awin begann sich darüber zu wundern, wie still der Wald geworden war. Er lauschte. Das Stampfen der Hufe und die schnellen Schritte der Stiefel im Laub, das kalte Klirren der Waffen, das Keuchen von Mensch und Tier - aber sonst war es ruhig. Kein Wind ließ die Blätter rauschen, kein Wasser tropfte aus den Wipfeln, nirgendwo ein singender Vogel oder Specht. Selbst die Wölfe waren wieder verstummt. Er versuchte, ruhig zu bleiben, seine Aufmerksamkeit auf die Bäume und ihre Schatten in den weißen Schleiern zu lenken. Da - hatte sich dort nicht etwas bewegt? Oder war das nur ein Streich, den ihm seine Sinne spielten? Er eilte weiter. Noch eine Bewegung, da war er sich beinahe sicher. Vor ihm hielten die Akradhai plötzlich an. Awin hätte Mahuk fast über den Haufen gerannt. Hinter ihm fluchte Tuge, als er sein widerstrebendes Pferd trotz aller Schmerzen zum Stehen bringen musste. Da - wieder huschte ein Schatten durch den Nebel. Die Männer hielten ihren Pferden die Nüstern zu und lauschten. Zwischen den Bäumen raschelte es im Laub, das Geräusch vieler Füße, ein oder zwei Augenblicke nur, dann wurde es wieder völlig
still. Awin hörte nur noch seinen eigenen Atem und den seines Pferdes, dann den der anderen Männer und Tiere. Hier und dort knarrte Sattelzeug oder klirrte Metall auf Metall. Er hörte all dies überdeutlich - aber um sie herum war nur Stille, als hätte der Nebel die Welt verschluckt.
    »Sollen wir zu den Waffen greifen, Awin?«, flüsterte Jeswin.
    »Nein, denn wenn sie uns angreifen wollten, hätten sie es längst getan«, behauptete Awin, auch wenn er sich da keineswegs sicher war. Vielleicht warteten sie einfach nur auf eine noch günstigere Gelegenheit. Ja, vermutlich warteten sie, bis sich die Hakul im Nebel müde gelaufen hatten.
    »Aber was wollen sie nur?«, fragte Wela leise.
    »Uns im Auge behalten«, behauptete Praane, aber seine Stimme zitterte unsicher.
    »Und nun?«, fragte Jeswin.
    »Es hat wohl keinen Sinn, weiter kopflos voranzuhetzen. Wir können die Unsichtbaren nicht abschütteln. Ich schlage vor, wir ziehen einfach weiter, ruhig, denn Eile schadet uns doch viel mehr als ihnen.«
    Die beiden Yamane ermahnten ihre Männer wieder, dicht zusammenzubleiben und sich nicht zu unbedachten Handlungen hinreißen zu lassen. So marschierten sie schließlich weiter und hofften, dass sich der schwere Dunst bald auflösen würde.
    »Ich glaube fast, Aghils weiße Schleier werden eher noch dichter«, flüsterte Jeswin nach einer Weile.
    Awin nickte. Er kannte die Nebelgöttin nicht, aber sie schien in diesem Wald wirklich sehr umtriebig zu sein.
    Auf ein Zeichen von Nokke blieb der Sger wieder stehen. »Hört ihr das?«, fragte er leise.
    Die Hakul lauschten. Zuerst hörten sie nichts, aber dann wehte ein klagender Ton aus der Ferne heran. Ein zweiter Ruf antwortete, aber es war unmöglich zu sagen, woher er kam.

    »Wölfe«, flüsterte Tuge.
    »Wie heute Morgen«, meinte Awin.
    »Heute Morgen? Da muss ich noch geschlafen haben«, antwortete Tuge.
    »Aber du hast sie gehört, Mabak, oder?«
    »Nein, Yaman«, antwortete der Jungkrieger langsam. Er hatte einen Pfeil auf die Sehne gelegt. »Da war der Nebel, die Stimmen der Männer, Yaman. Sonst nichts.«
    »Steck den Bogen wieder weg, Mabak«, mahnte Awin leise, »oder willst du jetzt auf Töne schießen?«
    »Ich will auf irgendetwas schießen, Yaman, denn dieser Nebel lässt meine Hände zittern, und ich denke, sie werden sich wieder beruhigen, wenn sie den Klang meiner Sehne hören«, antwortete der Jungkrieger mit bebender Stimme, aber dann, ruhiger: »Verzeih, du hast Recht, Yaman.« Mabak schob den Bogen in sein Halfter zurück. »Es wird nicht wieder vorkommen«, versicherte er.
    Awin erkundigte sich bei Yaman Jeswin und Mahuk Raschtar nach den Wölfen, aber auch die hatten sie nicht gehört. Awin fragte sich, was das zu bedeuten hatte. Er spürte eine wachsende Unruhe, in sich selbst - und im Nebel.
    Stunde um Stunde wanderten sie zwischen den Bäumen weiter, und immer dichter schienen die Schleier der Nebelgöttin zu werden. Awin bemerkte bald, dass noch etwas nicht stimmte: Praane nahm kleine Richtungsänderungen vor. Sie waren abseits des Weges, das wusste er, und irgendwo zu ihrer Rechten musste ihr eigentlicher Pfad liegen, aber ihm kam es vor, als würden sie seit einiger Zeit im Zickzack marschieren. Er rief dem Ore ein leises »Halt« zu.
    »Was gibt es, Yaman?«, fragte Praane zurück. Obwohl er keine zehn Schritte vor

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