Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Sohn des Sehers 03 - Renegat

Titel: Der Sohn des Sehers 03 - Renegat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Fink
Vom Netzwerk:
hervor.
    Norgis antwortete mit einem verächtlichen Schnauben. »Natürlich bist du ihr begegnet. Sie hat dir die Gabe erst gegeben. Nein, nein, nicht gegeben, sie war schon vorher da. Geerbt hast du sie von deinem Vater. Geweckt! Ja, das trifft es eher. Geweckt hat meine Schwester, was jetzt unter Uqibs Bann schlummert.«
    »Dann … dann bist du eine Kariwa?«, fragte Awin, der ihr nicht folgen konnte.
    Sie ließ seine Hand los. Awin zog sie hastig zurück. Sie schmerzte, und kleine Brandblasen bedeckten die Haut.
    »Ich sehe, ich muss dir das eine oder andere erklären, junger Reiter. Du hast eine große Aufgabe übernommen, vielleicht zu groß, und es ist wichtig, dass du begreifst, welche Kräfte hier am Werk sind. Wenn du das überhaupt zu verstehen vermagst.« Sie sah ihn mit ihren gelben Augen durchdringend an. Awin hatte das Gefühl, sie würde durch ihn hindurchsehen. »Also höre, Seher - ich bin Norgis, und ich gehöre keinem Volk der Menschen an. Vielleicht war ich einmal eine Kariwa, vor sehr
langer Zeit, doch wenn, dann nur zur Hälfte, denn ich teile mit Senis die gleiche Mutter: Ani, die Riesin.«
    Awin versuchte zu verstehen, was die Frau sagte, doch es überstieg sein Fassungsvermögen.
    »Aber …«, begann er, dann wusste er nicht mehr, was er sagen sollte.
    Norgis hatte sich halb abgewandt. Auch die anderen Wölfe waren inzwischen nahe herangekommen. Sie knurrten, schlichen kaum zehn Schritte von Awin entfernt ums Feuer, duckten sich zum Sprung, aber sprangen dann doch nicht. Jetzt gab die Frau ihnen einen schlichten Wink, und sie huschten davon.
    »Wo hast du sie hingeschickt, ehrwürdige Norgis?«, fragte Awin besorgt. Seine Gefährten waren da draußen im Wald. Er fragte sich, ob sie immer noch durch den Nebel irrten.
    »Nirgends. Sie sind frei und mögen gehen, wohin sie wollen«, lautete die Antwort.
    »Meine Gefährten …«, begann Awin vorsichtig.
    »Du solltest dich um andere Dinge sorgen, junger Seher. Ich habe gesehen, dass eine junge Wächterin mit dir reitet. Ist es nicht so?«
    »Merege? Ja, sie ist eine Kariwa.«
    »Ja, ich sehe es. Sie soll sich fernhalten von mir! Ah, sie hat Mut, ist einer Unsterblichen entgegengetreten, hat mit dem Sturm gekämpft. Ihre Hilfe kann von unschätzbarem Wert für dich sein, junger Seher.«
    »Aber sie will nicht mehr zaubern, seit sie Uo begegnet ist«, stieß Awin hervor.
    Wieder schnaubte Norgis verächtlich. »So sind sie, die Wächter. Mächtig, doch von Furcht vor der eigenen Kraft erfüllt.«
    »Ich glaube nicht, dass das der Grund ist, warum Merege …«, wandte Awin schüchtern ein, doch Norgis schnitt ihm das Wort ab.

    »Ich selbst war eine Wächterin. Ja, wie Senis, meine ältere Schwester, wurde ich überhaupt nur geboren, um das Skroltor zu bewachen - halb Mensch, halb Riesin, oder, wenn du so willst, weder ganz das eine, noch ganz das andere. Die Riesen konnten die Wache nicht übernehmen, denn sie mussten die Welt der Menschen verlassen, keiner von ihnen durfte noch auf unserer Seite des Schwarzen Tores bleiben, und den Menschen trauten die Götter nicht zu, eine so dauerhafte und schwere Aufgabe zu erfüllen, denn wankelmütig und unbeständig sind die Sterblichen. Also wurden Senis und Norgis in die Welt gesetzt. Aus uns sollte ein Geschlecht der Wächter hervorgehen, zu nichts anderem bestimmt, als im kalten Norden ein Tor zu bewachen - bis ans Ende der Zeit.«
    Awin hörte mit offenem Mund zu. Er hatte die Geschichte, dass Senis die Tochter von Riesen war, immer für ein Märchen gehalten, mit dem die Ahnmutter sich über ihn hatte lustig machen wollen, und nun erfuhr er von ihrer Schwester, dass sie Wort für Wort stimmte?
    Norgis fuhr fort: »Unsere Mutter Ani schenkte uns Kräfte, die jene gewöhnlicher Menschen weit übersteigen. Kinder sollten wir gebären, die das Tor bewachen für alle Zeit. Wir folgten unserem Auftrag.« Sie starrte nachdenklich in das unruhige Feuer. Viel Bitterkeit lag in ihrer Stimme. »Wir wurden zu den Müttern unseres eigenen Volkes, der Kariwa, doch die Götter wissen nichts von dem Schmerz, den es bereitet, die eigenen Kinder sterben zu sehen, und vor meinen Augen fielen sie wie Blätter im Herbst. Ich alterte langsam und sah jedes meiner Kinder dahingehen. Doch bemerkte ich bald, dass ich wiederum viel schneller als meine Schwester alterte, denn mir war das ewige Leben vorenthalten worden, das Senis geschenkt worden war. Diese Närrin. Du hast sie gesehen - und ich sah sie durch deine Augen. Alt

Weitere Kostenlose Bücher