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Der Sohn des Sehers 03 - Renegat

Titel: Der Sohn des Sehers 03 - Renegat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Fink
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eine Art, die Awins Angst noch vergrößerte, ihr Blick ging ins Leere, dann sagte sie mit beinahe sanft klingender Stimme: »Es musste sein. Es erreichen mich Nachrichten. Vom Reitervolk, das in unendlicher Zahl über die Hügel
kommt, das Land verwüstet und die Bauern in meinen Wald treibt, wo sie nichts zu suchen haben. Und die Reiter verfolgen sie, bis unter meine Bäume, brennen Höfe nieder und Städte. Bis hierher wehte der Brandgeruch. Meine Kinder fürchten sich, aber sie lauschen auch. Hören, was die Pferdemenschen sagen. Nach Norden wollen sie. Bis ins Schneeland wollen sie. Ich frage meine Kinder, ob sie auch gehört haben, was die Pferdemenschen dort wollen, aber das wissen sie nicht. Und dann verschwinden die Reiter, wie der Rauch. Sie gehen auf die andere Seite des Flusses. Meine Kinder sagen, es sei nun alles gut, denn der Feind käme nicht in unser Land. Aber was wollen die Pferdemenschen im Norden? Darauf hatte ich keine Antwort. Dann höre ich von Reitern, die einen anderen Weg wählen. Die in meinem Wald Blut vergießen, die ihre Pferde auf meinen Wegen führen. Also bitte ich meine Kinder, mir einen dieser Fremden zu bringen. Und sie erfüllen mir diesen Wunsch.«
    »Raiwe!«, rief Awin aus.
    »War das sein Name? Ich fragte ihn vieles, denn ich wollte verstehen, was hier vor sich geht, nach seinem Namen fragte ich ihn jedoch nicht.«
    »Was ist mit ihm geschehen?«, wollte Awin wissen.
    Norgis’ Blick verdunkelte sich. »Er erzählte mir von dir, Awin von den Dornen. Von einem Seher aus jenem Land, das sie das Staubland nennen. Als ich dort war, vor langer Zeit, gab es keine Pferdemenschen, nur leeres Land. Das ist sehr lange her. Der Mann, den du Raiwe nennst, erzählte mir auch andere Dinge. Er verriet mir, warum dein Volk nach Norden zieht, berichtete von Windskrolen, die sie führen und die das Schwarze Tor öffnen wollen. Er behauptete auch, du seiest aufgebrochen, das zu verhindern.«
    »So ist es auch, ehrwürdige Norgis, doch sage mir, was mit meinem Gefährten geschehen ist.«

    Für einen Augenblick schien die Fremde eine Antwort auf die Frage in Betracht zu ziehen, aber dann verlangte sie: »Gib mir deine Hand, Awin von den Dornen.«
    »Aber …«, begann Awin und zog sich ein Stück weiter zurück. Er wollte dieser Fremden nicht die Hand geben. Sie war eine Alfskrole, daran bestand kein Zweifel. Und was sie über Raiwe gesagt hatte - er musste tot sein. Er wollte nicht das gleiche Schicksal erleiden.
    Ein warnendes Knurren erklang dicht hinter ihm.
    »Es ist gut, Bruder Wolf. Er wird tun, worum ich ihn bitte - nicht wahr, junger Reiter?«
    Awin wagte nicht, sich umzudrehen, aber das war auch gar nicht nötig, denn der Wolf war so nah, dass er ihn riechen konnte. Norgis’ Hand schoss nach vorne und fasste seine Rechte. »Ich muss dich berühren, um in dir zu lesen, Wanderer, und noch hast du keinen Grund, mich zu fürchten«, versicherte sie. Awin glaubte ihr kein Wort. Ihr Griff war hart, aber überraschend warm. Sie zog seine Hand zu sich und starrte sie regungslos an. »Ah. Du hast die Gabe, aber sie schweigt. Warte - Uo? Du bist Uo begegnet?« Jetzt wirkte sie überrascht.
    Awin nickte verwirrt. Sprach sie davon, dass er die Sehergabe noch hatte? Er hatte sie doch weggegeben.
    »Nein, das hast du nicht«, antwortete Norgis auf seinen unausgesprochenen Gedanken. »Der Seelenverweser, ah, er hat einen Bann daraufgelegt. Ich spüre seine Anwesenheit. Weißt du seinen Namen, Hakul?«
    Die Wärme ihrer Hand steigerte sich zu brennender Hitze.
    »Uqib. Der Seelenverweser hieß Uqib«, stieß Awin hervor. Konnte sie wirklich seine Gedanken lesen?
    »Nicht alle«, murmelte sie, und dann: »Lass sehen.« Plötzlich blickte sie Awin scharf in die Augen. »Es mag sein, dass Uqib dir damit einen Gefallen getan hat.«

    »Ich verstehe nicht, was du meinst«, antwortete Awin und versuchte, seine Hand aus ihrem Griff zu lösen, denn die Hitze wurde jetzt unerträglich.
    »Später, junger Seher, später werde ich es dir vielleicht erklären. Ah!«, sie stockte, dann fragte sie beinahe verwundert: »Du bist meiner Schwester begegnet?«
    Er starrte sie verständnislos an. Sprach sie von Isparra?
    »Nein, von Senis spreche ich. Sie hat dir geholfen, oder etwa nicht?«
    Ein Tausendfüßler krabbelte aus Norgis’ Ärmel und glitt rasch über Awins Hand. Dann fiel er hinab zu Boden und kroch davon.
    »Ahnmutter Senis ist deine Schwester ?«, stieß Awin nach einer langen Pause schließlich

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