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Der Sohn des Sehers 03 - Renegat

Titel: Der Sohn des Sehers 03 - Renegat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Fink
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Nächte
waren traumlos und leer. Er konnte mit niemandem darüber sprechen, denn das hatte er dem Seelenverweser gelobt, hätte es aber auch nicht erklären können. Es war ein tauber Fleck in seinem Geist, fast so, als würde er auf einem Ohr nichts mehr hören, oder auf einem Auge nichts mehr sehen, und dieses Gefühl erfüllte ihn mit nie gekannter Unruhe. Manchmal wollte er keine Stunde länger in der Festung bleiben, dann wieder wollte er sie um keinen Preis verlassen. Er wollte mit Merege reden, doch sie ging ihm aus dem Weg. Und wenn er ihr doch einmal begegnete, dann fehlten ihm die Worte, um zu sagen, was er sagen wollte. Eines Tages erschienen zwei Ussar-Späher mit eiligem Bericht. Awin sah sie durch das Tor hasten und in der großen Kammer verschwinden. Kurz darauf wurde er zur Fürstrichterin gerufen. Die Priesterin und Mahuk Raschtar waren schon dort.
    »Wiederholt vor dem Yaman, was ihr uns erzählt habt«, befahl die Prawani den Kundschaftern.
    Der ältere der beiden, immer noch außer Atem, ergriff das Wort: »Wir spähen. Im Wald, den wir den Schlangenwald nennen. Eine Schlange hat dort Tamuk gebissen, vor vielen Jahren. Darum sind wir vorsichtig. Halten Ausschau nach Hakul, nach Feinden, nach Schlangen. Aber nichts. Nicht am Tag, nicht in der Nacht. Dann, am nächsten Tag, eine Fremde. Sie kommt aus Richtung des Blendlands. Wir verstecken uns. Wir sind Ussar, können eins werden mit Blatt und Baum. Aber sie sieht uns. Kommt zu uns. Schickt uns, sie anzukündigen. Sie kommt hierher. Mächtige Frau. Zauberin.«
    »Sagte sie ihren Namen?«, unterbrach Awin den Späher. Eine Zauberin? Er hoffte, es würde Mereges Ahnmutter Senis sein. Der Kundschafter schüttelte den Kopf.
    »Und warum haltet ihr sie für eine Zauberin?«, fragte Awin.
    »Ich sagte es: Sie sieht uns. Kein Hakul und keine Sonnentochter
kann uns sehen, wenn wir mit dem Wald eins werden. Also ist sie Zauberin.«
    Das war eine seltsame Schlussfolgerung. »Wie sah sie denn aus?«, fragte Awin.
    »Sie war groß, schön, stolz«, lautete die kurze Antwort.
    Awin runzelte die Stirn. Das war keine Beschreibung, die auf die uralte Senis und ihre kleine, bucklige Gestalt passte. Aber warum war er eigentlich gerufen worden?
    »Weiter, berichtet endlich den Teil, der den Yaman angeht«, drängte die Fürstrichterin ungeduldig.
    Der Ussar nickte. »Sie findet uns. Sie spricht uns an, schickt uns her. Sagt, sie will in die Festung. Sie fragt nach dir.«
    »Nach mir?«, fragte Awin verwundert.
    »Nach jungem Hakul-Seher. Sagt, sie kennt dich. Sagt, du bist ihr verpflichtet.«
    Nun war Awin völlig ratlos. »War es denn eine Hakul?«, fragte er. Es mochte sein, dass er eine Verpflichtung hatte, von der er nichts wusste. Er war verwickelt in den Tod von Heredhan Horket und Isgi, seinem Seher. Es mochte eine Verwandte der beiden sein, die nun Entschädigung für das Blut verlangte. Das wäre ungewöhnlich, aber nicht undenkbar.
    »Keine Hakul. Fremd. Keine Sonnentochter, keine Ussar«, antwortete der Späher und setzte nach kurzem Zögern hinzu: »Vielleicht Akkesch. Hochmütig.«
    Awins Blick ging ins Leere. Hochmütig und stolz? War das möglich? »Groß?«, fragte er.
    »Größer als Ussar«, sagte der Kundschafter.
    »Isparra«, murmelte Awin.
    »Wer?«, fragte die Fürstrichterin streng. Die Viramatai hatten bis vor zwei Monden weder von Xlifara Slahan gehört noch von den fünf ihr dienenden Winden, den Xaima. Vier waren ihnen während der Schlacht um die Festung begegnet
und schließlich von Merege besiegt worden. Isparra war jedoch schon vorher von Slahan verstoßen und ihrer Kräfte beraubt worden, denn sie hatte Awin geholfen, als sie zum ersten Mal in Uos Mund auf die Gefallene Göttin gestoßen waren. Er hatte sie noch einmal wiedergesehen, auf einer Reise des Geistes. Auch da hatte sie wenigstens versucht, ihm zu helfen. In gewisser Weise war er ihr also wirklich verpflichtet. Er erzählte der Prawani, was sie wissen musste.
    »Eine Windskrole?«, fragte Brami Vareda ungläubig, als die Fürstrichterin Awins Erklärung unruhig, aber schweigend hinnahm.
    Awin zuckte mit den Achseln. »Ich kann es selbst kaum glauben, aber diese Beschreibung trifft auf niemanden sonst zu, den ich kenne.«
    »Holt die Kariwa. Sie hat die Windskrole besiegt. Vielleicht weiß sie, was hier vorgeht«, befahl die Fürstrichterin. »Und beeilt euch!«
     
    Merege hörte sich an, was die Späher zu berichten hatten, und auch, was Awin vermutete. »Vielleicht ist sie

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