Der Sohn des Sehers 03 - Renegat
freuen. Später sah Awin Vater und Sohn ein Stück vom Feuer entfernt miteinander reden - das hieß, eigentlich redete nur Tuge. Karak hörte schweigend zu.
»Ist es besser jetzt?«, fragte er, als Tuge zurückkehrte.
»Mein Zorn ist verraucht, Awin, wie du es vorhergesehen
hast, doch dafür ist die Sorge zurück. Slahan hat nicht viel von dem tapferen Krieger übrig gelassen, der mein Sohn einst war.«
»Dann lass uns hoffen, dass dieser Krieger zurückkehrt. Es war mutig von ihm, uns zu folgen. Nimm es als gutes Zeichen.«
»Wenn du es sagst«, erwiderte Tuge, doch Awin konnte ihm ansehen, dass er zweifelte.
Die Nacht war ruhig, und Karak hatte keine Gelegenheit, sich als Wache auszuzeichnen. Awin war sich ziemlich sicher, dass Tuge kein Auge zugetan hatte, solange die Sicherheit des Sgers in den Händen seines Sohnes lag. Am nächsten Tag ritt Karak wieder an der Seite Mereges, und Awin bemerkte, dass die beiden sich gelegentlich unterhielten. Auch das nahm er als gutes Zeichen.
»Zeichen, Zeichen«, brummte Tuge. »Alles schön und gut, solange wir hier friedlich durch die Hügel reiten, aber was geschieht, wenn wir kämpfen müssen?«
Darauf hatte Awin nun keine Antwort. Doch noch mussten sie nicht kämpfen. Das Land lag wie ausgestorben und die hohen Berge, die die Stadt Tiugar verbargen, rückten immer näher.
Einen Abend darauf kam Limdin zu Awin. »Du weißt, dass ich deine Schwester um die Ehe gebeten habe, Yaman Awin«, begann er etwas steif.
Awin nickte aufmunternd.
Limdin fuhr fort: »Für gewöhnlich verlangt der Brauch, dass der Bräutigam nach einem Jahr die Braut zu den Zelten seines Klans führt, wo sie von da an als neue Tochter der Sippe leben wird.«
Wieder nickte Awin. Er war gespannt, worauf der Fuchs-Krieger hinauswollte.
»Ich aber biete dir an, mit deiner Schwester beim Klan der
Dornen zu bleiben, Yaman Awin - wenn du mich denn aufnehmen wolltest.«
Awin runzelte die Stirn. »Das ist eine ernste Sache, Limdin. Dein Angebot ist ehrend, und jeder Yaman würde sich glücklich schätzen, einen Krieger wie dich in seinem Klan zu wissen. Ich nehme an, du erwartest nicht, dass ich Gunwa dazu zwinge, nun dich und nicht deinen Bruder zum Mann zu wählen?«
»Natürlich nicht, Yaman«, wehrte Limdin erschrocken ab.
»Das würde meine Macht wohl auch übersteigen«, sagte Awin lächelnd, um die Anspannung etwas zu lockern.
»Aber du kannst ihr zureden, oder?«, fragte Limdin.
Das war ernst. »Das werde ich nicht tun, junger Krieger«, erwiderte Awin, der kaum älter als Limdin war. »Ich achte dich, und ich achte deinen Bruder. Ich achte auch deinen Yaman, Auryd. Du weißt, dass du ihn um Erlaubnis fragen solltest, bevor du seinem Klan den Rücken kehrst, oder?«
Limdin nickte verdrossen. »Auryd ist weit fort, und wir haben lange nichts von ihm gehört. Hast du ihn nicht gesehen, bei einem deiner Gesichte, Yaman?«
Awin schüttelte den Kopf. Yaman Auryd war wirklich weit fort, irgendwo im Reich der Akkesch auf der Jagd nach jenem Räuber, der den Lichtstein aus Etys’ Grab gestohlen und damit diese ganze Kette verhängnisvoller Ereignisse ausgelöst hatte.
»Vielleicht sollten wir das Orakel befragen, was aus ihm geworden ist, Yaman Awin«, meinte Limdin. »Vielleicht wissen die heiligen Stuten, was du …« Er verstummte. Vermutlich dachte er, es stünde ihm nicht an, Awins Fähigkeiten in Frage zu stellen. Awin fühlte sich getroffen. Seine Gefährten hatten keine Fragen zu seiner Gabe gestellt, denn sie hegten eine gewisse Scheu vor diesen Dingen. Vermutlich gingen sie davon aus, dass nun, da er in Uos Reich gewesen war, seine Gabe wieder zu ihm zurückgekehrt war. Niemand wusste, dass genau das Gegenteil der Fall
war. Awin überspielte seine Betroffenheit mit einem Lächeln: »Nun, vielleicht wissen sie wirklich mehr als dieser Seher. Wir werden es bald herausfinden, junger Krieger.«
Das Wetter war ihnen gewogen, es war kühl und frisch am Fuß der hohen Berge, weder drückend heiß am Tag noch bitterkalt in der Nacht. Sie fanden auch immer ausreichend Wasser für die Tiere, und ihre Vorratsbeutel waren so gut gefüllt, dass sie nicht einmal auf die Jagd gehen mussten. Es regnete gelegentlich, doch waren das meist nur kurze Schauer. Edhil schien ihnen wirklich wohl gesonnen, auch wenn Tuge meinte, dass alles zu glatt und zu leicht ginge.
»Und Karak?«, fragte Awin.
Tuge seufzte. »Mein Sohn hält sich gut bis jetzt. Ich meine, er spricht nicht viel, und wenn, dann
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