Der Sohn des Sehers 03 - Renegat
Mähne seines Pferdes. Nach vier Tagen ritt er schon ganz ordentlich, auch wenn Tuge immer noch der Meinung war, dass jedes Hakul-Kind, das zum ersten Mal auf ein Fohlen gesetzt wurde, es besser machte. So kamen sie nun jeden Tag etwas schneller voran.
Am Morgen des fünften Tages meldete Dare, dass sie verfolgt wurden. »Es ist ein einzelner Reiter, ich sah ihn dort zwischen den Buchenhainen.«
Awin ließ den Sger halten, denn ein einzelner Reiter mochte ein Bote aus Pursu sein. Gerade, als er sich fragte, ob Dare sich vielleicht getäuscht haben konnte, tauchte der Reiter aus einer Senke auf. Es war ein Hakul. Er hielt sein Pferd kurz an, aber dann kam er näher. Awin bemerkte, dass Tuge sich verfärbte, und dann rief Dare auch schon: »Bei Mareket, es ist Karak!«
Es war tatsächlich der Sohn des Bogners, der sie auf seinem schweißtriefenden Ross nun einholte. Verlegen, aber mit Trotz im Blick hielt er sein Pferd an.
»Bringst du Botschaft aus Pursu?«, rief Tuge, und es schien, als könne er sich nur mit Mühe beherrschen.
Karak schüttelte den Kopf. »Meine Gefährten reiten in die Schlacht, wie könnte ich da zurückbleiben, Vater?«
Awin hatte Tuge noch nie so außer sich gesehen. Auf seinen Wangen wich das fahle Weiß einem dunklen Rot, dann
herrschte er seinen Sohn an: »Weißt du nicht, wo dein Platz ist? Hat dein Yaman dir nicht einen Befehl erteilt? Du bringst Schande über mich, Karak, der du dich meinen Sohn nennst!«
Awin legte ihm begütigend die Hand auf den Arm, aber Tuge war nicht zu beruhigen. »Ich bitte dich um Verzeihung, Yaman Awin«, stieß er hervor. »Mein Sohn wird deine Befehle nie wieder in Frage stellen, er wird sich umdrehen und zurückreiten nach Pursu, oder …«
Hier unterbrach ihn Awin schnell und mit scharfen Worten: »Was dieser Krieger tun wird oder nicht, unterliegt meiner Entscheidung, Tuge!«
Tuge starrte ihn mit offenem Mund an.
»Ich grüße dich, Karak«, wandte sich Awin nun an den Bognersohn. »Du verstehst, dass ich verwundert bin, dich zu sehen?« Als er das sagte, ließ er Tuge nicht aus den Augen. Es tat ihm leid, dass er den väterlichen Freund so hatte anfahren müssen, aber der Bogner war kurz davor gewesen, mit unbedachten Worten sich und seinen Sohn ins Unglück zu stürzen. Nun musste Awin schnell entscheiden, wie er mit der Sache umging. Karak nickte auf Awins Frage hin. Er war leichenblass geworden. Sein Yaman fuhr nun wesentlich freundlicher fort: »Ich habe dir den Befehl erteilt, dich um die Frauen meines Klans zu kümmern. Hast du diesen Auftrag erfüllt?«
Karak schaute verlegen zu Boden, aber dann entdeckte er die goldene Brücke, die Awin ihm mit diesen Worten gebaut hatte. »Das habe ich, Yaman Awin. Ich habe sie der Obhut von Brami Vareda überlassen. Sie versprach, sie sicher nach Wastu zu bringen.«
»Das ist doch …«, fuhr Tuge auf, aber Awin schnitt ihm erneut das Wort ab.
»Das ist ganz in meinem Sinne, Tuge. Dein Sohn hat Klugheit bewiesen und wird vorerst weiter in meinem Sger reiten.
Nach Tiugar werden wir sehen, wie es weitergeht.« Dabei warf er Tuge einen sehr deutlichen Blick zu.
Der Bogner schluckte, aber er nickte schließlich. »Wenn du erlaubst, Yaman, würde ich mit meinem Sohn nun gerne einige Worte unter vier Augen wechseln.«
»Das erlaube ich nicht, Tuge, denn ich brauche dich an meiner Seite. Heute Abend, wenn wir lagern, werdet ihr genug Zeit haben, über diese Dinge zu reden.«
Tuge warf ihm einen wütenden Blick zu, aber er fügte sich, und Awin gab Karak den Befehl, mit Merege das Ende ihres kurzen Zuges zu sichern, eine Anweisung, die der Krieger gerne annahm. Bis zum Mittag schwieg Tuge Awin feindselig an, aber dann sagte er: »Ich weiß, warum du mich nicht mit meinem Sohn reden lässt. Du hoffst, dass mein Zorn während des Rittes schwindet.«
»Ich gehe davon aus, dass du mit jeder Länge, die wir heute zurücklegen, die Dinge etwas klarer siehst, Meister Tuge, denn ich kenne dich als einen sehr klugen Mann«, erwiderte Awin.
»Das hat sich vorhin jedoch nicht so angehört, Yaman«, sagte Tuge missmutig.
Darauf antwortete Awin nicht, aber er hoffte, dass der Bogner auch das bis zum Abend verstanden haben würde. Karak war nun einmal da, und Awin würde ihm die Möglichkeit geben, sich zu bewähren. Noch waren sie im Land der Hakul, noch konnte er ihn jederzeit wieder zurückschicken. Er trug ihm auch gleich die erste Wache auf, als sie am Abend lagerten, aber Karak schien sich sogar darüber zu
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