Der Sohn des Sehers 03 - Renegat
einen Wink. Langsam schlichen sie unter der Deckung der Kiefern weiter. Mahuk hob plötzlich die Hand.
In der Luft war ein Summen. Schritte näherten sich. Ohne Zweifel, da schlenderte ein summender Mann heran. Er kam jetzt hinter den Wachholderbüschen hervor. Dem ersten Anschein nach war es einer der Wächter, auch wenn er außer dem Dolch an seinem Gürtel keine Waffen führte. Er trug aber einen ledernen Brustpanzer und hielt jetzt auf den Pfad zu, den sie so vorausschauend gemieden hatten. Awin gab Tuge einen
Wink. Dieser verstand und schlich zum Weg hinüber. Der Wächter - es war ein älterer Krieger - bog auf den Trampelpfad ein. Tuge schoss aus seinem Versteck hervor, packte den Überrumpelten an der Kehle und hatte ihn am Boden, bevor er schreien konnte. Die Kiefern knarrten, und eine Drossel flog schimpfend davon. Sonst blieb alles ruhig. Awin spähte hinüber zu der Höhle. In den Schatten war Bewegung. Als Awin genauer hinsah, meinte er, helles Licht am Ende der Höhle zu sehen. Nun, er würde sie sich später anschauen. Er schlich hinüber zu Tuge und seinem Gefangenen. Der Hakul lag stocksteif im Moos und starrte sie erschrocken an. Tuges Blutdolch lag an seiner Kehle, die Hand des Bogners auf seinem Mund.
»Wenn mein Freund seine Hand wegnimmt, wirst du nicht schreien, sondern leise und ruhig meine Fragen beantworten. Du musst heute nicht sterben, allerdings hat Mareket vielleicht schon ein Ross für dich gesattelt. Hast du das verstanden?«, fragte Awin.
Der Mann nickte eifrig. Auf Awins Zeichen hin löste Tuge den Griff ein wenig.
»Wie viele Wachen gibt es hier oben?«
»Mit mir … nur zwei«, antwortete der Wächter zögernd und schielte dabei stets auf die Klinge an seiner Kehle.
»Wenn du mich noch einmal anlügst, wird es deine letzte Lüge sein, Mann. Wisse, ich bin ein Seher«, erklärte Awin ruhig.
»Drei, wir sind zu dritt, ehrwürdiger Seher«, rief der Mann eilig, als Tuges Dolch seine Haut ritzte.
»Wo sind die anderen beiden?«
»Einer steht unten am Weg, einer ist drinnen bei den Mägden und Deutern.«
»Wie viele Deuter, wie viele Mägde?«, fragte Awin ruhig.
»Drei und vier«, lautete die Antwort.
Tuge drückte die Klinge wieder etwas fester an den Hals des
Kriegers. Ein Tropfen Blut trat hervor. »Ich hoffe, du hast dich nicht verzählt, Mann«, knurrte er.
Der Gefangene schüttelte ängstlich den Kopf.
Awin dachte nach. Die Wachen waren nicht an einem Ort versammelt. Das war schlecht.
»Einer steht am Weg nach Tiugar?«, fragte er noch einmal.
Der Mann nickte. Awin gab Limdin einen Wink, und der Krieger schlich zur Felskante, um nach diesem Wächter zu suchen. Als er zurückkam, hatte er keine guten Nachrichten: »Der Weg liegt teilweise unter dem Fels, und ich kann den Wächter nicht sehen. Wir müssen auf den Pfad, aber der beginnt dort vorne, dicht bei der Höhle«, flüsterte er.
Für einen Augenblick war Awin ratlos. Sie mussten diesen Wächter unschädlich machen. Wenn er nach Tiugar entkam, wäre alles verloren. Aber die Höhle und der dritte Wächter waren im Weg.
»Gib mir Limdin mit. Wir schleichen uns an der Höhle vorbei und überraschen den Wächter von hinten«, schlug Tuge jetzt vor. »Und, ja, ich werde versuchen, ihn nicht zu töten, Yaman. Ihr aber solltet dort am Waldrand sein. Wenn jemand in der Höhle etwas merkt, wenn jemand Alarm schlägt, dann muss schnell und entschlossen gehandelt werden!« Tuge sah Awin bei dieser Bemerkung scharf an.
Awin überlegte einen Augenblick - dann stimmte er zu.
»Und wie verhindern wir, dass dieser Held hier alles verdirbt?«, fragte Wela leise.
»Ich kann helfen«, sagte Mahuk. Er holte aus den Tiefen seines Beutels nach einigem Suchen ein pelziges Blatt hervor. »Spinnenblatt nennen wir es. Sehr giftig.« Er packte den überraschten Hakul am Kiefer und zwang ihn, den Mund zu öffnen. Dann stopfte er ihm das Blatt gedankenschnell in den Mund und schloss ihn wieder, bevor einer der Hakul eingreifen
konnte. »Es schläft, solange Mund geschlossen bleibt, Hakul. Öffnest du ihn, erwacht es. Frisst dich von innen auf. Es sei denn, ich gebe dir anderes Kraut. Sehr alter Ussar-Zauber«, verkündete Mahuk düster. »Du hast verstanden?«
Der Mann war kreidebleich geworden und nickte heftig. Sie fesselten ihn mit seinem Gürtel und ließen ihn unter der Bewachung von Wela und ihrem Dolch zurück. Der Mann sah nicht so aus, als würde er noch Schwierigkeiten machen.
»Wir hätten ihn auch einfach knebeln
Weitere Kostenlose Bücher