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Der Sohn des Sehers 03 - Renegat

Titel: Der Sohn des Sehers 03 - Renegat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Fink
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dieser Ebene. Macht. Fremde Macht.«
    »Der Reiter?«, fragte Awin.
    Mahuk zuckte mit den Achseln. »Ich weiß es nicht. Aber geh schlafen, Yaman. Du brauchst einen Traum. Sonst finden wir den Weg nicht.«
    Awin folgte diesem Rat. Die Nächte waren wirklich viel kürzer als in seiner Heimat, den Schwarzen Bergen. Die Morgendämmerung schien nicht mehr fern. Awin bat Tengwil um einen Traum, denn auch Menschen ohne Sehergabe konnten doch wohl träumen, aber auch in dieser Nacht schenkte die Schicksalsweberin seiner Bitte kein Gehör.

    Am nächsten Morgen wurde Awin vor den anderen wach. Er fühlte eine innere Unruhe, die ihm den Schlaf raubte. Bald würden sie auf Eri und sein Heer stoßen. Er setzte sich auf. Immer noch lag der düstere Schein vieler Feuer über dem Land. Es sah aus, als würde sich das Morgenrot über den ganzen nördlichen Himmel spannen wollen. Dann entdeckte er Karak, der in einiger Entfernung vor einem der Steingeister stand. Ein schneller Blick zu Tuge sagte ihm, dass der Bogner noch schlief. Awin schälte sich aus seiner Decke und lief hinüber zu dem Krieger.
    »Du scheinst die Geister nicht zu fürchten, Karak«, begann er.
    Der Bognersohn zuckte erschrocken zusammen. Er schien völlig in Gedanken versunken gewesen zu sein. »Ich … ich frage mich nur, wie es ist, in so einem Stein zu wohnen«, antwortete er schließlich verlegen.
    »Mahuk Raschtar sagt, dass die meisten dieser Figuren verlassen sind«, erwiderte Awin und hatte das Gefühl, nicht die richtigen Worte zu finden.
    »Verlassen«, murmelte Karak.
    Awin hatte, seit sie Tiugar hinter sich gelassen hatten, ebenso wie Tuge immer wieder versucht, mit dem Krieger zu reden, aber er war stets einsilbig und ausweichend geblieben.
    »Was beschäftigt dich, Karak?«, fragte Awin nun, da er eine günstige Gelegenheit sah, vielleicht mehr über die Seele seines Gefährten zu erfahren.
    Karak zuckte mit den Achseln. »Nichts, Yaman, ich fragte mich eben nur, was das für ein Gefühl ist.«
    »Ein Geist zu sein?«, fragte Awin behutsam nach.
    »Die Kariwa sagte, es sei sehr ruhig im Land des Todes, Yaman.«
    Der Seelenverweser hatte ihm verboten, einem Sterblichen
von den Dingen zu erzählen, die er dort erlebt und gesehen hatte. Aber die Sache mit Karak war ernst, und er konnte erzählen, was er nicht gesehen hatte. »Ich habe Marekets immergrüne Weiden dort nicht gesehen, Karak. Und auch sonst wenig, was die Augen erfreute. Hörst du die Lerche, die den neuen Tag begrüßt? Sie muss dort schweigen, denn es wird niemals Morgen oder Abend, und es gibt gar keine richtigen Farben. Sieh dir diesen prachtvollen Himmel an! So etwas findest du dort nicht.«
    Karaks Blick wanderte nach Norden. »Aber dieses Rot, das ist doch vom Feuer und vom Krieg, Yaman«, sagte er.
    Awin hätte sich am liebsten auf die Zunge gebissen. »Dennoch hat es mir im Land des Todes nicht gefallen, Karak. Und lass uns gehen, bevor dein Vater dich hier sieht und sich noch mehr um dich sorgt, als er es ohnehin schon tut.«
    Als sie aufsaßen, war der Himmel im Norden immer noch rötlich verfärbt, und erst die aufgehende Sonne tilgte diesen beunruhigenden Lichtschimmer. Sie folgten den Wagenspuren, die die Karren der Händler hier in Jahrzehnten in die Erde gegraben hatten. Immer wieder säumten Steingeister den Weg, manchmal einzeln, dann wieder einige in kleinen Gruppen. Sie alle wirkten alt, sehr alt. Ihre Farben waren verwittert, ihre Köpfe bemoost, in einigen hatten sogar schüttere Wachholderbüsche Wurzeln geschlagen. Es waren so viele, dass sich sogar Tuge beinahe an sie gewöhnte. Gegen Mittag teilte sich der Weg plötzlich. Awin ließ den Sger halten. Eine Wagenspur führte nach Nordwesten, eine andere, schmalere nach Norden.
    »Wohin jetzt, Awin?«, fragte Wela.
    »Beide führen wohl letztendlich zur Stadt mit der Brücke, wenn Corian uns nicht belogen hat; der nördliche unterhalb der Ebene, entlang des Flusses Jurma, der andere weiter über diese Hochebene«, erklärte Awin.

    »Ich habe von diesem Fluss gehört«, sagte Merege plötzlich. »Er mündet bei der Hafenstadt Karno ins Eismeer. Manchmal segeln unsere Fischer dorthin, um zu tauschen.«
    »Das heißt, wenn wir dem Fluss folgen, kommen wir in deine Heimat, Merege?«, fragte Limdin.
    »Nein, nur bis zum Meer. Von dort ist es noch weit bis ins Schneeland. Und ich weiß nicht, ob der Weg offen ist.«
    »Folgen wir also dem Fluss?«, fragte Wela.
    »Je eher wir von diesen Geistern wegkommen, desto

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