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Der Sohn des Sehers 03 - Renegat

Titel: Der Sohn des Sehers 03 - Renegat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Fink
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Überreste alter Mauern handelte.
    »Sie sind lange fort. Verjagt vielleicht, vielleicht aber auch nur entmutigt, wie es die Menschen schnell sind, und ihre Ahngeister haben sie zurückgelassen. Vielleicht hat die Göttin der Einsamkeit sie vertrieben, denn sie hält sich gern an Orten wie diesen auf.«
    Awin kannte diese Göttin nicht, aber er glaubte jetzt auch, ihre Anwesenheit zu spüren. Diese nackte Ebene mit ihren alten Steinfiguren hatte etwas unsagbar Trostloses an sich.
    »Auch ich werde hier nicht länger bleiben«, verkündete Isparra. Sie erhob sich und streckte mit herrischer Geste die Hand aus. »Gib mir dein Pferd, Hakul!«
    Der Braune scheute leicht und wich unruhig zurück, als hätte er die Windskrole verstanden. Awin beruhigte ihn und schüttelte dann bedächtig den Kopf. »Ich werde es nicht hergeben. Und sieh, es will dich nicht tragen.«
    »Ich bin in Eile, Mensch. Meine Geschwister haben schon den Fluss überschritten.«
    »Das Heer hat die Brücke von Borre genommen?«, fragte Awin überrascht.
    »Meine Geschwister waren es. Sie haben die Verteidiger hinweggefegt. Die Hakul kämpften erst danach. Sie brachten Feuer über die Stadt. Du kannst es riechen.«
    Awin roch nichts dergleichen. »Woher weißt du das alles, Ehrwürdige?«, fragte er.
    Isparra zischte herablassend. »Die Winde dieses Landes reden mit mir. Sie verachten mich, sie bemitleiden mich, aber sie erzählen mir, was im Norden geschieht. Brennende Höfe, tote Menschen. Ihr braucht keine Daimonen für Zerstörung und Tod, scheint mir.«
    »Wie viel Vorsprung haben sie?«, fragte Awin.
    »Wäre ich noch die, die ich einst war, würde ich sie binnen weniger Stunden einholen. Doch für einen Reiter sind es zwei Tage bis zum Fluss. Und dieser Pfad, dem ihr folgt, führt nicht auf kürzestem Weg dorthin.«
    »Du kennst einen kürzeren?«
    »Ich kenne ihn, und wenn du mir dein Pferd gibst, werde ich ihn dir zeigen, junger Seher.«
    »Weder dieses Pferd, noch ein anderes aus meinem Sger, ehrwürdige Isparra«, erklärte Awin ruhig.
    »Weißt du nicht, wie unhöflich und gefährlich es ist, einer
Unsterblichen einen Wunsch abzuschlagen, Hakul?«, zischte Isparra, und der Zorn vertrieb den Hochmut aus ihren ebenmäßigen Zügen.
    Awin wusste es, und doch sagte eine innere Stimme ihm, dass die Xaima ihm - vorerst - nichts tun würde. Er spürte, dass sie dafür einen Grund hatte, aber dieser Grund hatte nichts mit Freundlichkeit oder gutem Willen zu tun. Sie gebot über Macht, das war keine Frage, aber sie setzte sie aus Gründen, die er noch nicht kannte, einfach nicht ein. Mit seiner Sehergabe hätte er es vielleicht enträtseln können. Plötzlich kam ihm ein kühner Gedanke: »Ich habe ein Angebot für dich, Isparra. Mein Pferd könnte uns für eine Weile beide tragen, doch erwarte ich von dir Hilfe und Rat in einer schwierigen Frage.«
    Isparra sah ihn ausdruckslos an und schwieg. Sie schien den Vorschlag zu überdenken, und Awin wusste, wie tollkühn es war, mit einer Unsterblichen handeln zu wollen. Aber er konnte ihr Fragen stellen, die er keinem Menschen stellen konnte, denn das hatte Uqib, der Seelenverweser ihm verboten. Gerade, als er schon glaubte, zu weit gegangen zu sein, sagte Isparra: »Dann frage, Hakul.«
    Awin zögerte, er war dabei, der Unsterblichen einen schwachen Punkt zu enthüllen, aber dann sagte er: »Du weißt, dass ich ein Seher bin. Wir haben uns auf der Ebene des Geistes getroffen, dort, wo die Körper der sterblichen Menschen keinen Platz haben.«
    Isparra nickte ungeduldig.
    »Ich habe diese Gabe verloren. Ich musste sie dem Seelenverweser in Uos Reich überlassen. Und jetzt erhört Tengwil meine Bitten nicht mehr. Weder Traum noch Gesichte kann ich herbeirufen.«
    »Ein Seelenverweser? Warum lässt sich ein Mensch auf
einen Handel mit einem Diener des Totengottes ein?«, fragte Isparra gleichmütig.
    »Die Kariwa. Sie war dort, und ich … musste sie zurückholen«, stotterte Awin.
    »Nun, wenn du diese Fähigkeit hergegeben hast, warum beschwerst du dich nun, dass sie fort ist? Finde dich damit ab«, erklärte die Windskrole herablassend.
    »Ich dachte … ich meine … ich hoffte, du kennst einen Weg, wie ich sie wiedergewinnen kann.«
    Isparra sah ihn gleichgültig an. »Nun, ich weiß nichts über diese Gabe, Seher. Wir Windholde gehen über jene Ebene, die du die Ebene des Geistes nennst, so selbstverständlich, wie ihr Menschen über die eurige. Kannst du mir erklären, wie du das machst, wie du

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