Der Sohn des Tuchhändlers
tow «, sagte ich gegen das Türblatt.
»Wo suchen wir jetzt nach Paolo?«, fragte Daniel und sah sich um.
Ich ballte die Fäuste. »Die Stadt ist groß. Selbst, wenn wir alle Dienstboten und die Schreiber im Haus einspannen, sind wir viel zu wenige.«
»Und das bedeutet …?«
»Geh zurück zu Janas Haus. Vielleicht ist er schon zurückgekommen. Wenn nicht, wartest du, bis ich oder Jana wiederkommen. Jana bringt hoffentlich Friedrich mit seinen Leuten mit … oder hat Paolo gefunden …«
»Und was bringst du mit?«
»Hilfe von höchster Stelle«, sagte ich grimmig.
»Den König?« Er lächelte schwach.
»Der hat hier nichts zu sagen.«
»Ich möchte bei dir bleiben.«
»Ich brauche dich im Haus«, sagte ich. »Ich bin nicht sicher, ob das Gesinde auf Sabina hört. Du musst so viele Leute wie möglich als Suchmannschaften einteilen. Mach einen Plan, damit keine Gasse ausgelassen wird. Wenn Paolo sich in seiner Angst verirrt hat und ziellos umherläuft, stößt er vielleicht auf einen der Dienstboten.«
»Was glaubst du, wo er ist?«
»Was ich glaube, ist, dass er Zeuge der Verhaftung von Mojzesz geworden ist. Wenn er nicht vor Schreck weggelaufen ist, ist er den Wachen vermutlich gefolgt. Er ist ja nur aus dem Grund aufgebrochen, um Mojzesz zu warnen und ihm zu helfen.«
»Ich bin nicht der Meinung, dass Sabina nicht mit dem Gesinde fertig wird«, sagte Daniel. »Aber ich gehorche trotzdem. Es ist nämlich schon eine ganze Weile her, dass du gesagt hast, du brauchst mich.«
»Nur keine Sentimentalitäten«, knurrte ich, aber seine Worteverlangsamten den Rhythmus meines Herzschlags ein wenig. Ich fasste hinüber und rubbelte durch sein Haar, und er grinste täppisch.
»Ich ahne, wohin du gehst«, sagte er dann. »Pass auf dich auf.«
Ich nickte. Er warf sich herum und rannte los. Plötzlich hielt er an, musterte mich über die paar Schritte Entfernung nachdenklich und kam dann wieder zurück.
»Da ist noch etwas, das du wissen solltest«, sagte er. »Ich wollte es dir zuerst nicht sagen, weil ich dachte, dass es nicht recht sei, wenn du wieder irgendwelchen Ermittlungen hinterher rennst, anstatt dich um deine eigenen Angelegenheiten zu kümmern …«
»Was ist es?«
»Die Gesellen von Veit Stoß … Samuels Kameraden … nachdem ich von Veit Stoß minutenlang nur Gejammer gehört hatte, dass sein bester Geselle nicht arbeiten dürfe und unschuldig angeklagt sei und was weiß ich nicht noch alles, fragte ich sie ein bisschen aus. Sie waren gar nicht traurig darüber, dass Samuel nicht da war. Ich hatte den Eindruck, sie halten ihn für … nun …«
»… die Krätze«, sagte ich. Ich seufzte. »Sie haben Recht.«
»Dennoch sind sie alle davon überzeugt, dass Samuel von sich aus Zofia niemals angerührt hätte; dass er es nicht in sich hätte, einem Mädchen Gewalt anzutun.«
»Selbst wenn Zofia ihm schöne Augen gemacht haben soll, rechtfertigt das noch lange nicht, dass er sich auf sie … wie haben sie das gemeint?«
Er zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung. Als das raus war, wechselten sie ein paar Blicke und verstummten.«
Ich sah ihn verblüfft an. »Soll das etwa bedeuten, Samuel ist ein … ein …?«
»So hört es sich an. Nun, was immer du damit anfangen kannst, jetzt weißt du es.«
Er drehte sich um und trabte davon. Ich sah ihm hinterher. Alles zu seiner Zeit, dachte ich, und die Zeit für die Information, die du mir gerade gegeben hast, ist eindeutig nicht jetzt. Aber ich werde sie nicht vergessen.
»Ich freue mich, dass du da bist«, sagte ich, aber das hörte er schon nicht mehr. Ausnahmsweise war ich davon überzeugt, dass er es ohnehin wusste.
Auf einer der Reisen, die ich als Ermittlungsbeamter des Augsburger Bischofs Peter von Schaumberg – und als junger Mann – getan hatte, hatte ich mich einem Treck angeschlossen, der Waren für die Firma Welser transportierte. Der Treckführer war ein altgedienter Haudegen gewesen, der mit einem Dialekt so dick wie Linsensuppe sprach, jeden zweiten Satz mit »Na, mein Junge!« begann und als Kapitän eine Hansekogge an den Küsten entlanggeführt hatte, bevor ihm ein zurückschnellendes Tau die rechte Hand abriss.
»Na, mein Junge«, hatte er mir erklärt, während er mir demonstrierte, dass man auch mit einem eisernen Haken an einer Ledermanschette imstande war, sich das größte Stück Schweinefleisch aus dem Kessel zu schnappen, »weißt du, mit einer fehlenden Hand oder einem Holzbein kann man ohne weiteres ein Schiff
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