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Der Sohn des Tuchhändlers

Der Sohn des Tuchhändlers

Titel: Der Sohn des Tuchhändlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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Ohren ziehen. Möchtest du gern allein durch die Stadt irren?«
    Sie gab meinen Blick zurück, aber ich hatte den Eindruck, dass er zu flattern begann. Sie sagte nichts.
    »Du befehligst die Burg«, sagte ich. »Jeder tut das, wofür er am gewinnbringendsten eingesetzt werden kann.«
    »Wir werden Paolo finden!«, sagte Daniel.
    »Und wenn nicht?«
    »Sabina«, sagte ich, »ich weiß es nicht.«
    »Dann suchen wir wieder und wieder«, erklärte Daniel.
    Ich schnaubte. Sein Plan war sinnlos. Er würde nichts bringen, außer dass wir weitere Menschen in Gefahr brachten und die Wahrscheinlichkeit wuchs, dass irgendjemand aus diesem Haus zu Schaden kam. Er war nicht zielführend. Er war der einzige Plan, den wir hatten.
    Deshalb würden wir ihn durchführen.
    »Wenn er nicht nach Hause gekommen ist, nachdem er Mojzesz’ Verhaftung mit angesehen hat, ist er vielleicht bei einem unserer Geschäftspartner untergekrochen. Jana, fällt dir einer ein, zu dem Paolo so viel Vertrauen haben würde, dass er zu ihm flieht?«
    Jana brauchte eine Weile, bis sie antwortete. Sie wirkte wie jemand, der vom anderen Ufer eines Flusses einer Unterhaltung zuhört, von der er im Moment nicht weiß, ob sie ihn überhaupt etwas angeht. »Mojzesz und Friedrich von Rechberg«, sagte sie dann. »Wir wissen, dass er bei keinem der beiden ist, und auch auf der Strecke zu Friedrich war er nirgends zu finden.«
    »Wenn er zu ihm gelaufen ist, musste er wirklich durch die ganze Stadt.«
    Daniel seufzte.
    »Wir fangen trotzdem mit den Häusern aller Geschäftsfreunde an«, sagte ich. »Ich glaube, wir sind uns alle sicher, dass wir auf ihn oder er auf uns aufmerksam geworden wären, wenn er sich irgendwo im Freien versteckt hätte.«
    »Das Judenviertel!«, rief Daniel plötzlich. »Vielleicht habensie ihn irgendwo in Sicherheit gebracht. Erinnere dich, wie dieser kleine Bursche sich Mojzesz’ Frau geschnappt und geradezu vor uns versteckt hat …«
    »Rebecca liebt Paolo nicht weniger als wir. Das weiß die ganze jüdische Bevölkerung – Mojzesz ist ja nicht irgendwer. Welche Erschütterung seine Verhaftung hervorgerufen hat, hast du mitbekommen – und glaub mir, diese Aktion ist nicht nur im Judenviertel wahrgenommen worden, sondern überall in Krakau, Kazimierz, Kleparz und wo auch immer in der näheren Umgebung …« Ich verstummte und dachte nach. Ein Gedanke war durch mein Gehirn geeilt, aber ich konnte ihn nicht festhalten. Welche Assoziation hatten meine eigenen Worte hervorgerufen? Der Geistesblitz war entschlüpft. Ich räusperte mich. »Paolo ist daher im Judenviertel bekannt wie ein bunter Hund. Wenn er sich dort verstecken würde, wüssten wir es genauso sicher, als wenn er bei einem der Geschäftspartner wäre.«
    »Wie wir uns drehen und wenden, es ergibt alles keinen Sinn, oder?«, fragte Daniel.
    Jana stand plötzlich auf. »Nichts, was wir hier planen, macht Sinn.« Sie schritt zur Tür.
    »Wo gehst du hin?«, fragte ich. Sie antwortete nicht. Ich wechselte einen ratlosen Blick mit Daniel und Sabina. Daniel zuckte mit den Schultern; Sabina verfolgte Janas Abgang mit schmalen Augen.
    »Jana?«
    »Macht euch keine Sorgen um mich«, sagte sie, während sie durch den Ausgang verschwand. Ich hörte sie nach rechts gehen, in Richtung unseres Schlafzimmers. Wollte sie nach Zofia sehen oder wollte sie nur für ein paar Augenblicke dem Jammer entgehen, der hier im Saal hing? Ich hatte das drängende Gefühl, dass ich ihr nachgehen sollte. Daniel sah mich an.
    »Was tun wir jetzt?«
    »Hm?«
    »Wo fangen wir zuerst an? Wir können deinen Freund Friedrichvon Rechberg nochmals bitten, mitzuhelfen. Vielleicht ist er jetzt zurück – die Nacht ist ja so gut wie da.«
    »Friedrich«, sagte ich und hatte wieder Jana vor Augen, wie sie durch die Tür verschwand. Wenn sie sich in ihrem kleinen Gemach verkrochen hatte, dann sollte ich bei ihr sein und ihr Leid teilen. Und Paolo? Aber was konnten wir wirklich tun außer unsere Kraft mit einer erneuten Suche zu verschwenden, von der wir alle wussten, dass sie kein Ergebnis bringen würde? Die Alternative dazu jedoch – undenkbar: hier zu sitzen und zu beten, dass der Kleine unversehrt zurückkam … Wo um alles in der Welt konnte er sein? »Friedrich ist wahrscheinlich in Kleparz.«
    »Wie kommst du darauf?«
    »Er hat so gut wie aufgegeben. Alles, was er noch zu tun können glaubt, ist, seine Leute und seine Ausrüstung unversehrt zurückzubringen. Wenn die Lage hier eskaliert, kann er nicht mal

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