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Der Sohn des Tuchhändlers

Der Sohn des Tuchhändlers

Titel: Der Sohn des Tuchhändlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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her durch den Innenhof eilten, »aber im Augenblick ist nur eines wichtig: Wo gehen wir hin?«
    »Wie heißt dieses Kaff? Direkt vor dem … na, diesem Tor mit der Befestigung davor …«
    »Kleparz«, sagte Jana und trug einem Knecht auf, den zweirädrigen Reisewagen bereitzumachen – keinen Aufwand bitte, nur den Wagen und zwei Maultiere davor! – und uns damit nach Kleparz zu folgen.
    »Ihr wart mit einem Warentreck unterwegs.« Ich dachte an die Staubwolke, die ich von Weigels Ladegaube aus gesehen hatte. »Ich habe gesehen, wie er angekommen ist – um das Mittagsläuten herum.«
    »Das war er nicht«, sagte Daniel. »Unser Treck ist gestern spät in der Nacht angekommen und heute beim Morgengrauen aufgebrochen.« Er wandte sich in der Gasse nach rechts, und ich nahm ihn am Arm und steuerte ihn nach links. Was das Orientierungsvermögen anging, war er zu hundert Prozent mein Sohn. »Was Sie gesehen haben, ist der Treck, der heute angekommen ist und uns aus der Herberge vertrieben hat.«
    »Warum habt ihr euch denn vertreiben lassen?«
    »Weil auch ein Herbergswirt rechnet und zahlende Gäste bevorzugt«, sagte Jana. »Hier, wir gehen durch das Slawkowska-Tor hinaus, beim Florianstor ist jetzt Hochbetrieb.« Sie klopfte auf die Börse, die an ihrem Gürtel hing. Münzen klimperten. »Das müsste reichen, um den Zoll für eure Sachen zu bezahlen. Die Geschichte mit dem Kaufmann klären wir über den Rat.«
    »Und wo hast du Sabina gelassen?«
    »Äh …«, sagte Daniel.
    »In einem Bordell«, schnappte Jana.
    Ich blieb stehen. Jana und Daniel liefen ein paar Schritte weiter und drehten sich dann zu mir um. »Vielleicht sollte mir jemand die Geschichte von Anfang an erzählen«, sagte ich mit erzwungener Ruhe.
    Folgendes kam ans Tageslicht, während wir zum Slawkowska-Tor marschierten, wo uns der Reisekarren einholte, dessen Lenker klug genug gewesen war, ebenfalls das Florianstor zu meiden:
    Daniel und Sabina hatten sich vor knapp zwanzig Tagen einer Gruppe Kleriker angeschlossen und waren mit diesen nach Ingolstadt gereist. Dort fand sich ein Treck, der Lemberg zum Ziel hatte und dessen Besitzer angab, über Krakau zu reisen. Sabina und Daniel kauften sich als Begleiter ein und kamen bequembis Wittenberg. In Wittenberg wurde der Treckführer gewarnt, dass die Strecke bis kurz vor Krakau unsicher sei; man hatte sich beraten und beschlossen, das Wachkontingent aufzustocken. Das erhöhte die Kosten und damit die Preise für begleitende Reisende – und überstieg die Kasse meiner Kinder.
    »Wie viel hat der Wegelagerer verlangt?«, rief ich.
    »Fragen Sie lieber, wie viele bewaffnete Knechte uns plötzlich begleiteten. Wir sahen aus wie ein Heerzug, unter den sich zufällig ein paar normale Menschen verirrt haben.«
    »Was für ein Angsthase.«
    »Was für ein vorausschauender, guter Kaufmann«, sagte Jana.
    »Welche Fracht hatte er denn geladen? Gold? Gewürze?«
    Beim Slawkowksa-Tor ließ man uns anstandslos nach draußen. Die Wachen sahen gelangweilt aus; man hatte das Gefühl, wenn von den Münzen, die Jana ihnen zuschnippte, eine auf den Boden gefallen wäre, sie sich darum gestritten hätten, wer sich nach ihr bücken musste . Kleparz erhob sich nach den paar hundert Schritten freier Strecke hinter der üblichen Staubglocke verhüllt (die Staubglocke verschwand nur im Winter oder an Regentagen, wenn ganz Kleparz sich in eine Art Morast verwandelte, bei dem keiner sich gewundert hätte, wenn ab und zu ein paar Häuser darin versunken wären); die Straße lief schnurgerade darauf zu und mitten hindurch, und wenn die Sicht klarer gewesen wäre, hätte man sie jenseits der Ansiedlung in den Feldern verschwinden sehen. Kleparz war nichts als ein unregelmäßiger Haufen von Gebäuden links und rechts dieser Straße, von kleineren Gassen in Rechtecke zerteilt, der ausschließlich von Diensten für die ankommenden und durchreisenden Trecks lebte. Die Handwerker, die dort arbeiteten, hatten es noch nicht geschafft, die Bürgerrechte für Krakau zu bekommen; in den meisten Fällen war es ihnen vermutlich schnurzegal, denn ihr Auskommen fanden sie hier nicht schlechter als hinter den Mauern und waren außerdem der Jurisdiktion desKönigs unterworfen; was steuerlich gesehen auch nicht günstiger war, aber den Vorteil hatte, dass der Hof sich nirgendwo einmischte, solange die Steuern flossen. Was die Sicherheit anging – wer kümmerte sich um die Sicherheit, wenn Krakau schon so lange nicht mehr Ziel eines Angriffs

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