Der Sohn des Tuchhändlers
sagte und Daniel lachte und Paolo vorsichtig kicherte, und ich schritt hinter den dreien vorbei und durch die Länge des Saals zu Jana hinüber; ein kurzer Weg, auf dem das Szenario – die lange Tafel, die Sitzbänke, das frisch aufgestreute Gras darunter, die bunten Kissen auf den Bänken und das träge flackernde Feuer im Kamin – mir immer mehr vor den Augen verschwamm. Als ich bei Jana ankam und mich umdrehte, saß Daniel vor Paolo auf dem Boden und Sabina stand über ihn gebeugt, während Paolo mit fuchtelnden Armbewegungen etwas zu erklären schien. Ich spürte, wie Jana neben mich trat und etwas tat, was mir plötzlich beinahe fremd vorkam: Sie schob ihre Hand in meine. In diesem Augenblick war es mir nicht nur egal, was ich sie mit Fryderyk Miechowita tun zu sehen geglaubt hatte, ich war sogar vollkommen davon überzeugt, dass Paolomit seiner Ansicht Recht hatte und nicht ich, und ich fühlte über allem, was die Vereinigung Paolos mit Sabina und Daniel mit sich brachte, eine heiße, alles überstrahlende Liebe zu der Frau an meiner Seite. Jana hatte mich aus der Lähmung befreit, in die ich wegen des Todes meiner Frau Maria gestürzt war; mit Jana war ich durch ein paar Höllen gegangen, die darin gegipfelt hatten, dass sie unser Kind verloren und ich sie sterben zu sehen geglaubt hatte. Es gab nichts, was diese Gemeinsamkeit jemals wegwischen konnte, und es gab niemanden, der sich zwischen uns und die Erfahrungen drängen konnte, die wir gemeinsam gemacht hatten. Ich drückte ihre Hand und wandte mich zu ihr um und sagte: »Ich liebe dich.«
Jana blickte auf. Ich hörte das helle Lachen Paolos. Ich hörte Daniel, der sagte: »Und dann konnte ich vom Baugerüst aus dem Herzog genau in die Suppenschüssel gucken …« Ich vernahm Sabinas Stimme, die ganz geheimnisvoll raunte: »Ich muss in meiner Reisetruhe nachsehen, ob das Geschenk noch da ist, das ich für dich mitgebracht habe.« Ich lächelte Jana an, und sie schloss die Augen und flüsterte: »Ich muss dir etwas sagen …«
Ich hörte die raschen Schritte an der Schwelle zum Saal. Einer der Knechte kam herein und blieb stehen und stotterte etwas wie: »Entschuldigung, aber da ist …« Jemand schob sich an ihm vorbei und sah sich um und stürmte wie ein Schlachtross in den Saal herein, rannte förmlich auf Jana und mich los, und ich löste meine Hand aus Janas und hob sie und versuchte zu sagen: »Guten Abend, Mojzesz, ich freue mich, dich gerade jetzt …«
Aber Mojzesz Fiszel starrte mich nur an, das Barett in der Hand, das Gesicht bleich und schweißüberströmt. Die Worte erstarben mir im Mund.
Mojzesz sagte: »Peter, warum in des einzigen Gottes Namen hast du das nur getan?«
»Du bist verrückt«, rief ich, während ich hinter Mojzesz her zum Marktplatz hastete, »wenn du glaubst, ich hätte damit etwas zu tun.«
»Du hast sicher nur das Beste gewollt.«
»Verdammter Mist, Mojzesz, ich habe nicht geplaudert!«
»Hör es dir an, hör es dir an!« Mojzesz drehte sich im Vorwärtseilen um und sah mich an. Die Not in seinem Blick war so groß, dass ich sie körperlich spürte. Ich hatte ihn noch nie derart schnell laufen gesehen. Sein Atem ging stoßweise.
Wir waren nicht die Einzigen in der Sankt-Anna-Gasse, die im Laufschritt unterwegs waren. Allen gemeinsam war das Ziel: der Marktplatz. Die Dämmerung fiel bereits, und normalerweise wäre jeder, der jetzt noch in den Gassen war, auf dem schnellsten Weg nach Hause gegangen, um nach Torschluss nicht von der Nachtwache aufgegriffen zu werden – heute jedoch schien dies jedermann egal zu sein. Vom Marktplatz her hörte ich rhythmisches Rufen, ohne verstehen zu können, was gerufen wurde. Ein Bettler mit krummem Bein stand gegen eine Hausmauer gelehnt und schrie aus Leibeskräften »Almosen, Almosen, almosen !«, aber keiner achtete auf ihn. Ich wich einem Mann aus, der in die Gegenrichtung eilte und mit den Händen wedelte und auf polnisch Gott und die Welt darüber informierte, dass man zum Marktplatz kommen müsse, wenn man die Wahrheit erfahren wolle; als ich wieder zu dem Bettler hinsah, kroch er auf dem Boden herum und versuchte kreischend vor Wut die Münzen aufzusammeln, die aus seiner Schüssel gesprungen waren, als jemand ihn umgerissen hatte. Ich sah einen jungen Burschen, der in vollem Lauf über die gebückte Gestalt hinwegsprang und dabei lauthals lachte. Als die Glocken des Doms zur Unzeit zu läuten begannen und sogar das Singen vom Marktplatz übertönten, dachte ich, der
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