Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Sohn des Tuchhändlers

Der Sohn des Tuchhändlers

Titel: Der Sohn des Tuchhändlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
Vom Netzwerk:
nein, vollkommen unmöglich machen würde. Ich ignorierte ihn, und er hörte auf zu jammern und brachte mich eigenhändig hinaus: ein Mann, der seinem Kunden hatte helfen wollen und alles richtig gemacht und dennoch eine kleine Katastrophe hervorgerufen hatte.
    Ich drückte das Tor zu Friedrichs Haus weiter auf und schlüpfte hinein. Der Innenhof war menschenleer. Man hatte ihm und seiner Gesandtschaft ein Gebäude zur Verfügung gestellt, das es an Größe mit Janas Haus jederzeit aufnehmen konnte. Wenn man davon ausging, dass Friedrich und seine beiden Buchhalter irgendwo in den Schlafräumen im Obergeschoss nächtigten und die Rossknechte, der Sattler, der Seiler, der Karrenspanner, die drei Läufer und der Säcklergehilfe in den Gesindekammern, dann war das Haus immer noch zur Hälfte leer. Jetzt schien es ganz leer zu sein. Auf dem Boden lag zertretenes Stroh von den Stallungen; ein Halm ragte aus einem festgestampften Fladen hervor und zitterte in einer leichten Brise, die ich nicht spürte.
    Ich räusperte mich. Es kam mir laut vor.
    Die Eingangstür des Gebäudes war ebenfalls nur angelehnt. Ich stolperte über den unebenen Flusskieselbelag des Bodensdarauf zu. Die Tür öffnete sich nach innen; ich stieß sie auf und spähte in das dunkle Erdgeschoss. Es roch nach geröstetem Getreide, muffigem altem Holz und Keller. Ich trat ein und ließ die Tür hinter mir zuschwingen. Es wurde dunkel um mich herum, dann gewöhnten sich die Augen daran und ließen mich in der Düsternis, in die das schwache Licht der Obergeschossfenster heruntersickerte, die Umrisse der Treppe sehen. Das Haus knackte und stöhnte leise vor sich hin; Geräusche, die man nur hört, wenn ein Gebäude wirklich menschenleer ist, als würden Häuser den Atem anhalten, solange ihre Bewohner sich noch darin befinden.
    »Friedrich?«, rief ich, und das Gemurmel des Hauses stockte.
    Meine Stimme hallte von den Wänden wider. Eine andere Antwort bekam ich nicht. Durch den Türspalt zog die Brise, die sich im Innenhof tummelte, herein und stellte meine Nackenhaare auf; oder es war etwas anderes, das sie aufstellte.
    »Friedrich von Rechberg?«
    »Ist irgendjemand zu Hause?«
    »Hallo?«
    Ich hatte den Münzmeister als einen Mann kennen gelernt, der sich nicht stillhalten konnte, und ihn bei meinen wenigen Besuchen in seinem Quartier beileibe nicht immer angetroffen. Aber es war stets jemand da gewesen, der mich in Empfang genommen hatte; als müssten sie im Gegensatz zu ihrem Meister die gewöhnliche Sesshaftigkeit ihres Gewerbes beweisen, hatten sich zum Beispiel die beiden Buchhalter ausnahmslos an ihren Pulten befunden, zu welcher Tageszeit ich auch gekommen war. Sie hatten kalkuliert, gerechnet, taxiert … Friedrich hatte aus der Not eine Tugend gemacht und alles bewertet, was ihm in seinen vielen vergeblichen Gesprächen als im Besitz des polnischen Königs genannt worden war; wahrscheinlich besaß er eine aktuellere Aufstellung über das jagiellonische Vermögen, das in den Gebäuden und Kirchen der Stadt steckte, als die Verwalter des Königs selbst. »Eines Tages wird er es müde sein,mich hinzuhalten, und er wird mich persönlich empfangen und sagen: Tut mir Leid, mein Freund, aber ich habe das Geld einfach nicht!; und dann werde ich meine Listen hervorziehen und sagen: Aber Majestät sind reich, seht doch nur diese Aufstellung an …«. Friedrich hatte gegrinst wie einer, der ahnte, dass ihm das auch nicht helfen würde, aber er gerne daran geglaubt hätte. Die Pulte der Buchhalter waren im Obergeschoss. Ich machte mir nicht die Mühe, hinaufzusteigen. Ich wusste, dass sie leer waren.
    Ich lauschte in das stille Haus hinein. Nach einer Pause seufzte irgendwo ein Balken. Etwas knackte. Wo waren Friedrich und seine Leute? Ich drehte mich zur Tür um und streckte die Hand nach der Klinke aus.
    Die Tür flog auf und schlug meine Hand beiseite.
    Das Tageslicht sprang mich förmlich an.
    Die Tür knallte gegen die Wand und prallte zurück.
    Ich sah eine Gestalt wie einen schwarzen Schatten gegen das grelle Licht, bevor ich die Augen zusammenkneifen musste. Die Gestalt war immer noch zu sehen, jetzt weiß gegen einen schwarzen Hintergrund wie ein tiefes Loch. Ich hörte einen Ausruf … und etwas packte mich und zerrte mich so plötzlich nach vorn, dass mir keine Gegenwehr einfiel …
    »Verdammt nochmal«, sagte jemand.
    Ich klammerte meine Hände um ein haariges Handgelenk und zerrte daran. Die Finger lösten sich von meinem Wams. Vor meinen

Weitere Kostenlose Bücher