Der Sohn des Verräters - 21
Tür hinter sich schloss. Sobald er draußen war, begann Gisela zu lachen, und Katherine fiel trotz ihrer Anspannung mit ein.
Kate nahm auf dem Stuhl Platz, auf dem Gisela Modell gesessen hatte, und ihre Fröhlichkeit verging. Sie sah auf den Packen in ihrer Hand und fürchtete sich vor dem, was darin stehen mochte. In ihrer Angst hatte sie so viele schreckliche Dinge gesagt, in der Nacht, als Herm die Burg verließ. Was würde sie tun, wenn er zu dem Schluss gekommen war, dass sie Recht hatte – dass ihm eine Ehe mit einer Frau ohne Laran in der Tat nicht möglich war? Und da sie wusste, wie sehr ihr Mann gefühlsbeladene Auseinandersetzungen hasste, würde es ihm durchaus ähnlich sehen, dass er es ihr in einem Brief mitteilte.
„Kate, lies den Brief und hör auf, dir Sorgen zu machen“ sagte Gisela freundlich, dann drehte sie sich um und wusch die Teekanne aus.
Katherine seufzte und brach die papierene Siegelmarke auf dem Packet auf. Drei Blätter entfalteten sich auf ihrem Schoß, und Herms große, krakelige Schrift tanzte vor ihren Augen. Er hatte ihr ein paarmal geschrieben, als er ihr den Hof machte, aber seither hatte sie seine Handschrift nicht mehr gesehen, und der Anblick ließ ihr das Herz in der Brust hüpfen. Sie dachte daran, wie seine Mitteilungen ihr Blut vor zehn Jahren in Wallung gebracht hatten, wie mädchenhaft und aufgeregt sie immer geworden war, wenn sie eine erhielt. Liebste Kate, ich bin ein Narr. Ich hoffe, du kannst mir verzeihen, dass ich ein Feigling war und bei der erstbesten Gelegenheit davongelaufen bin. Bitte glaub mir, dass es nicht deine Schuld war, dass nichts, was du getan hast, der Grund dafür war, auch nicht der Hinweis auf meine vielen Torheiten. Ich selbst, meine Ängste und Gewohnheiten, waren das Problem, und niemals du, Caria.
Ich möchte dir so viele Dinge sagen, die ich dir schon früher hätte sagen sollen, und ich weiß nicht, ob ich den Mut habe, es jetzt zu tun.
Das Papier vor mir ist wie ein riesiges Schneefeld, das ich nicht überqueren kann.
In diesem Augenblick sitze ich in meinem Zimmer in einem Gasthaus namens Krähender Hahn in Carcosa, einer kleinen Stadt, die etwa einen halben Tagesritt von Thendara entfernt liegt – ich bin also gar nicht weit weg, obwohl mir die Entfernung riesig erscheint.
Gestern Abend gab es einen Tumult im Innenhof des Gasthauses, einige Leute kamen dabei ums Leben. Der Regen setzte ein und hat alles ein bisschen gereinigt, aber ich rieche den Gestank immer noch.
Viel leicht ist es nur Einbildung, vielleicht hängt der Geruch aber auch mit Asche, Schweiß und vielen anderen unerfreulichen Dingen in meinen Kleidern.
Ich schiebe es schon wieder hinaus, auf den Punkt zu kommen.
Als Erstes muss ich dir beichten, dass der Stützpunktleiter im Hauptquartier der Föderation mich per Haftbefehl sucht. Ich habe dir nichts davon gesagt, als ich es erfuhr, aber du hast irgendwie gemerkt, dass ich etwas verheimliche, obwohl es mir gelungen ist, dich abzulenken, indem ich dir erzählte, dass Terese auf Laran überprüft werden muss. Du warst bereits so müde und sorgenvoll, und ich brachte es nicht über mich, dir noch mehr Kummer zu bereiten – jedenfalls ist das meine Entschuldigung dafür. Ich bin wohl kaum eine Gefahr für die Sicherheit der Föderation, und dieser Mann weiß das auch genau, aber er wollte meine Anwesenheit auf Burg Comyn benutzen, um Mikhail Hastur Schwierigkeiten zu machen.
Katherine hörte auf zu lesen und blickte auf. „Hast du gewusst, dass Herm per Haftbefehl gesucht wird?“ „Ja, Breda, aber Mikhail bat uns – Rafael und mich –, es dir nicht zu sagen, weil er der Ansicht war, wenn du es nicht weißt, brauchst du dir keine Sorgen zu machen.“ „Ich wüns chte wirklich, hier würden mir nicht alle Leute Dinge verheimlichen und sich in mein Leben mischen.“ Gisela lachte und nahm den Kessel vom Feuer, um heißes Wasser in die Teekanne zu gießen. „Ich bin mir nicht sicher, ob das auf Darkover durchsetzbar ist – hier mischen sich alle zum Zeitvertreib ein.“ „Schöner Zeitvertreib!“ Kate spie das Wort förmlich aus und fühlte sich gleich viel besser. „Vermutlich hat man auf diese Weise etwas zu tun, wenn man wochenlang eingeschneit ist“, fügte sie nicht mehr ganz so verärgert, aber mit großer Erbitterung hinzu.
„Es ist jedenfalls besser, als sich gegenseitig umzubringen, Kate.“ „Da wäre ich mir nicht so sicher.“ Sie hob den Brief auf und fuhr fort zu lesen.
Aber es ging nicht nur
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