Der Sohn des Verräters - 21
unternehmen? Willst du uns um deinetwillen in den Rachen des Todes reiten lassen?“ Dom Franciscos Worte klangen gezwungen und kraftlos.
„Es steht Euch absolut frei, in der Burg zu bleiben oder in die Domäne Ridenow zurückzukehren, Dom Francisco“, säuselte Marguerida mit zuckersüßer Stimme. „Und sicherlich wird Euch niemand gering schätzen, weil Ihr versucht, Eure Haut zu retten. Und wenn uns die Terraner dann alle getötet haben, werdet Ihr das Vergnügen haben, ums Überleben zu kämpfen, während sie Euch jagen wie einen Hasen. Was sie zweifellos tun werden, sobald sie die Macht über Darkover an sich gerissen haben.“ Francisco Ridenow besaß die Güte, bleich wie die Wand zu werden, und er stierte Marguerida hasserfüllt an. Es war ihr gelungen, ihn als einen Feigling hinzustellen, ohne es auszusprechen, und er konnte nichts dagegen machen.
Mikhail blickte erneut in die Runde. Es herrschte eine andere Stimmung im Saal als noch vor wenigen Minuten. Der Argwohn, der ihm sonst immer aus Lady Marillas Richtung entgegenströmte, war verschwunden, und es gab weitere Veränderungen, In einigen Köpfen war noch ein wenig von der Angst und dem Misstrauen ihm gegenüber zu spüren, allerdings längst nicht mehr so stark. Regis hatte die Anwesenden beruhigt, und sie hatten ihm geglaubt. Darüber hinaus hatte die Zurückhaltung, die Mikhail seit Jahren an den Tag legte, endlich Wirkung gezeigt. Er hatte verkündet, er sei lediglich versucht gewesen, seine schwierige Mutter zum Schweigen zu bringen, und sie hatten ihm geglaubt.
Es handelte sich jedoch nicht nur um eine simple Änderung ihrer Einstellung. Mikhail begriff, dass diese Leute – mit Ausnahme seiner Mutter und Dom Franciscos – wollten, dass er sie führte. Regis’ Tod hatte sie beunruhigt, und sie waren intelligent genug, um zu einzusehen, dass es ohne größere Umbrüche weitergehen musste und dass er, Mikhail, der Einzige war, der dafür sorgen konnte. Regis hatte als letztes Geschenk an Darkover den Mitgliedern des Rats der Comyn befohlen, Mikhail als seinem Erben zu folgen. Die Alternative war, wie jeder wusste, ein Bürgerkrieg, wie er auf Darkover seit Jahrhunderten nicht stattgefunden hatte Mikhail war unendlich erleichtert, und er fühlte, die meisten Anwesenden warteten nur darauf, dass er ihnen sagte, wie es weitergehen sollte. Bis zu diesem Moment war ihm nicht bewusst gewesen, wie sehr das allgemeine Misstrauen während der letzten fünfzehn Jahre ihn belastet hatte. Endlich würden die Comyn ihm erlauben, sie zu führen, und er konnte nur hoffen, dass er ihr plötzliches Vertrauen wert war. „Ich bin offen für alle Vorschläge, wie es weitergehen soll – und sei es, den Trauerzug abzusagen.“ Dom Gabriel schüttelte langsam den ergrauten Kopf. „Nur das nicht, mein Sohn. Du darfst dich nicht hier verstecken, wie es Regis getan hat. Nein, wir müssen uns diesem Feind stellen, aber wir müssen so gut es geht dafür sorgen, dass es zu unseren Bedingungen geschieht. Wenn wir dieses Komplott als solches aufdecken können und die Föderation damit bloßstellen, wären wir in doch einer vielen besseren Position, oder?“ Er wandte sich mit dieser Frage direkt an Lew Alton.
„Richtig und gut gedacht, Dom Gabriel, aber sehr schwer durchzuführen. Zunächst einmal, würde ich sagen, dürfen wir auf keinen Fall die jungen Leute mitnehmen – das wäre zu gefährlich.“ Daraufhin begannen alle zu reden und ihre Ideen zu unterbreiten, nur Javanne und Francisco schwiegen beharrlich.
Mikhail hörte zu und beobachtete, und er ertappte sich dabei, dass er Dom Damon anstarte. In seinem Geist raschelte etwas wie ein Blatt Papier im Wind, eine Erkenntnis, die ihm Regis vorhin hatte zukommen lassen.
Dom Damon war unschuldig, was ein gemeinsames Komplott mit der Föderation betraf – er hatte lediglich den Versuch unternehmen wollen, Rafael an Mikhails Stelle zu setzen! Mikhail sah seinen Bruder an, den verlorenen Sohn, der steif neben ihm saß. Es hätte nicht funktioniert, aber Dom Damon war nicht gescheit genug, um das zu verstehen. Immerhin war Mikhail erleichtert über die Erkenntnis, dass er dem alten Halunken zwar nicht allzu weit trauen konnte, aber dass er wenigstens nicht in den geplanten Anschlag auf den Trauerzug verwickelt war.
„Wir sollten Francisco Ridenow junior holen“, unterbrach Danilo Mikhails Gedanken. Alle sahen ihn an. „Ich glaube, sein Sachverstand würde uns sehr helfen.“ Die Anwesenden nickten zustimmend,
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