Der Sohn des Verräters - 21
gestohlen. Mikhail hätte am liebsten geweint vor Erleichterung, weil er wirklich nicht mehr für Regis hatte tun können, aber er hielt sich zurück. Stattdessen konzentrierte er sich auf die Tragweite all dessen, was Regis sonst noch zu ihm gesagt hatte, vor allem, dass er den Rat der Comyn sofort und ohne weiteres Zögern von dem Mordkomplott gegen seine Person unterrichten musste.
Mikhail sah zu Lew und las an dessen ernster Miene, dass ihm Regis zum Teil dieselben Dinge erzählt hatte. Er blickte rund um den Tisch, und langsam ebbte das Geplapper ab; alle Augen waren auf ihn gerichtet. Regis hatte Recht. Länger zu warten, würde ihn als schwach erscheinen lassen. Er musste nun das Kommando übernehmen, egal wie ihm zu Mute war.
Hoffentlich fand er die richtigen Worte, damit alle ihre unwichtigen persönlichen Belange vergaßen und zusammenarbeiteten.
Dann sah er zu den zertrümmerten Resten der Matrixfallen an der Decke empor und lachte laut. Es würde jetzt sehr schwer werden, etwas geheim zu halten, und er wusste nicht, ob er sich darüber freuen oder es bedauern sollte. Sein plötzlicher Heiterkeitsausbruch irritierte verschiedene Leute am Tisch, aber er hatte keine Lust, ihn zu unterdrucken.
Schließlich gewann er seine Selbstbeherrschung zurück.
„Wir haben schon viel zu viel Zeit damit vergeudet, Entscheidungen zu diskutieren, die vor Jahren getroffen wurden. Schluss damit ! Man plant einen Mordanschlag auf mich, aber ebenso auf euch alle. Damit müssen wir uns beschäftigen, und zwar sofort!“ „Einen Mordanschlag? Erst versuchst du uns mit der Gefahr eines Angriffs auf Burg Comyn zu erschrecken, und dann das! Was für ein Haufen Unsinn!“ „Hast du nicht gehört, was dein Bruder zu dir gesagt hat, Mutter?“ Dom Francisco Ridenow hatte sich erholt und saß aufrecht in seinem Sessel, noch blass, aber eindeutig schon wieder auf Streit aus. „Ein Anschlag auf dich – wie praktisch“, höhnte er.
„Und wie bist du hinter dieses angebliche Komplott gekommen, wenn du seit Monaten Burg Comyn nicht verlassen hast?“ „Das reicht jetzt, Francisco“, fuhr ihn Lew an. „Blockier gefälligst nicht immer alles.“ „Ich tue, was ich will. Regis hat jahrelang Gespenster gesehen, und ich habe mich immer gefragt, wie viel davon wohl auf deine Kappe geht, Lew. Ich glaube, du hast seine Ängste genährt, damit du ihn kontrollieren konntest. Und was diese kleine Demonstration eben angeht – ich weiß nicht, wie du es angestellt hast, Mikhail, aber ich bezweifle doch sehr, dass wir die Stimme von Regis Hastur aus der Oberwelt oder von sonst woher gehört haben!“ Sein Gesichtsausdruck ließ erahnen, dass er nicht ein Wort von dem glaubte, was er sagte, aber dass ein innerer Dämon ihn zwang, so zu reden.
„Natürlich – das war alles nur ein Trick, ein grausamer Trick“, kreischte Javanne mit schauderlich verzerrtem Gesicht. „Wie konntest du mir das nur antun, Mikhail!“ „Richtig. Was hier eben vorgefallen ist, beweist absolut, dass man Mikhail nicht erlauben darf, Darkover zu regieren. Er besitzt zu viel Macht, als dass man ihm trauen könnte. Es gibt kein Komplott, nur Tricks und Lügen!“ Dom Francisco brüllte erregt und hämmerte mit der Faus t auf den Tisch, um seine Worte zu unterstreichen.
„Ruhe!“, donnerte Mikhail. „Glaubt mir, wenn ich diese Erscheinung hätte steuern können, dann wäre mindestens eine Person im Saal jetzt tot! Ich habe eure Beleidigungen und Verdächtigungen jahrelang ohne Murren ertragen, aber ich werde weder dir, Mutter, noch dir, Francisco erlauben, weiter euren Schmutz über mich auszuschütten. Von mir aus könnt ihr bezweifeln, dass Regis Hastur die Matrixfallen im Kristallsaal zerstört hat, bis sämtliche Höllen Zandrus schmelzen. Aber das wäre ausgesprochen dumm, und keiner von euch ist so dumm.“ „Es war Regis“, sagte Danilo sehr ruhig. „Er hat mich an Dinge erinnert, die niemand sonst in diesem Raum wissen konnte … nur mein engster Freund.“ „Das stimmt“, ergänzte Lady Marilla. „Ich bin noch ganz durcheinander, aber ich weiß, es war Regis, der meinen Geist berührt hat, und niemand sonst.“ „Auch du lässt dich also täuschen“, murmelte Dom Francisco und starte seine Verbündete böse an.
„Was für ein gemeiner Mensch du doch bist“, erwiderte Marilla würdevoll. „Wenn Mikhail sagt, es gibt eine Verschwörung gegen ihn und den Comyn, warum sollten wir es ihm nicht glauben? Was hätte er davon, eine solche
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