Der Sohn des Verräters - 21
könnten wir ihn
an den Händen und Füßen an vier Pferde fesseln und sie dann
auseinander treiben.“ „Das würde mich sehr befriedigen“,
entgegnete Marguerida. „Ich denke mir gern schmerzhafte
Todesarten für gewisse Leute aus. Natürlich nur für solche, die
eine solche Behandlung verdient haben, denn normalerweise bin
ich nicht besonders mordlüstern, vor allem nicht um diese
Tageszeit.“ „Nein, nur wenn dich Banditen mitten in der Nacht
angreifen“, gab Gisela zurück, und die beiden lachten. Kate
lauschte der Unterhaltung leicht konsterniert und fragte sich,
worum es überhaupt ging. Es klang, als wäre von einem
tatsächlichen Ereignis die Rede – hatte Marguerida etwa einen
Banditen getötet? So gern sie eine Erklärung verlangt hätte, sie
hielt sich lieber zurück. Stattdessen gab sie stark aromatischen Honig aus einem kleinen Topf in die Teetassen. Bis auf das Klagen der Schifferpfeifen herrschte Stille in dem Raum. Erst jetzt bemerkte Kate, dass der gleichmäßige Rhythmus von Trommeln hinzugekommen war, so leise, dass sie diese zunächst kaum wahrgenommen hatte. Die Melodie hatte ebenfalls gewechselt, zu einem weiteren langsamen, traurigen Lied. Die Frauen tranken ihren Tee Und aßen die noch warmen Kuchen, und abgesehen von Margueridas Trauerkleidung hätte es ein ganz normaler Morgen sein können. Das Dienstmädchen war in den Kinderbereich der Gemächer verschwunden und hatte die drei allein mit ihren Gedanken zurückgelassen. Schließlich raffte sich Marguerida auf. „Kate, vor dem Begräbnis werden wir alle Kinder nach Arilinn schicken, auch unsere eigenen. Wenn unsere Vermutungen zutreffen, sind sie dort sicherer als hier.“ Katherine wollte zwar lieber nicht wissen, von welchen Vermutungen Marguerida sprach, aber sie musste in Erfahrung bringen, was vor sich ging. Diese Ankündigung schien aus heiterem Himmel zu kommen, und sie wusste nicht, wie sie darauf reagieren sollte. Erwartete man, dass sie mit den Kindern nach diesem Arilinn ging? Kate war hin- und hergerissen zwischen der Notwendigkeit, bei den Kindern zu bleiben, und ihrem Verlangen, Herm zu sehen. Aber sie konnte Amaury und Terese wohl kaum allein zu diesem unbekannten Ort aufbrechen lassen. „Warum sind sie hier nicht sicher?“, brachte sie schließlich heraus und fügte an: „Die beiden waren noch nie von mir getrennt.“ „Das war mir nicht bewusst“, antwortete Marguerida bedächtig. „Ich verspreche dir, dass sie in Arilinn völlig sicher sind.“ Sie trank einen Schluck von ihrem Tee. „Wir machen uns Sorgen, dass die Föderation versuchen könnte, die Burg zu besetzen, während wir auf dem
Weg zur Rhu Fead sind.
Wir sind auf diese Möglichkeit vorbereitet, und falls Lyle
Belfontaine sich tatsächlich zu einem Angriff entschließt, dürfte
er höchst überrascht sein, welcher Empfang ihn erwartet, aber wir wollen die Kinder nicht in Gefahr bringen.“ Sie hörte sich
an, als wäre sie zu müde, um fortzufahren.
„Ich verstehe.“ Kate überlegte kurz, fand den Gedanken
jedoch zu bedrohlich, um ihn einfach zu schlucken. „Ich glaube
dir, aber …“ Gisela unterbrach. „Du willst bestimmt Herm
treffen, damit du ihn die nächsten zehn Tage lang ohrfeigen
kannst. Ich glaube nicht, dass mein Bruder dich auch nur ein
bisschen verdient hat, Kate! Aber du kannst nicht an zwei Orten
gleichzeitig sein.“ Sie dachte einen Augenblick nach. „Ich gehe
mit den Kindern, da meine eigenen auch nach Arilinn müssen.
Ich komme schon irgendwie zurecht – selbst wenn ich Rhodri,
Alanna und Yllana auch noch mitnehme.“ Marguerida sah
Gisela forschend an. „Das ist sehr nett von dir.“ Und als könnte
sie sich einfach nicht zurückhalten, fügte sie hinzu: „Und sehr
untypisch.“ Gisela zuckte die Achseln. „Wie du gestern Abend
wahrscheinlich bemerkt hast, Kate, bin ich nicht eben eine
mustergültige Mutter. Schau nicht so entsetzt, ich weiß, dass es
stimmt. Aber ich kann mich um deine, meine und Margueridas
Kinder kümmern, bis wir beim Turm sind – ich bin nur faul,
nicht gleichgültig.“ „Was ist denn nur in dich gefahren,
Gisela?“, fragte Marguerida frei heraus.
Ein reizendes Lächeln huschte über Giselas Gesicht, und die
verschwollenen Augen funkelten. „Kate hat mich meine
Irrtümer erkennen lassen – nicht wahr, Breda?“ Sie berührte
leicht den blauen Fleck. „Ich will nicht, dass die Leute mich so
sehen und neugierige Fragen stellen oder denken, Rafael habe
endlich das getan, worauf alle seit
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