Der Sohn des Verräters - 21
sitzen, bevor sich Gisela rührte. „Wenigstens verstehe ich jetzt, was meinen Vater so in Wut versetzt hat. Und warum Lady Javanne so verhärmt aussah, als ich ihr im Flur begegnet bin.“ Kate kam plötzlich zu Bewusstsein, wie merkwürdig die Situation war: Sie saß im Nachtgewand mit zwei Frauen zusammen, die sie vor einer Woche noch nicht einmal gekannt hatte, und unterhielt sich beim Tee über Verschwörungen und Geister, als wären diese das Normalste auf der Welt. Dabei war das alles völlig unmöglich. Oder etwa doch nicht? Sie hielt Gisela und Marguerida für intelligente Frauen und keinesfalls für verrückt. Vielleicht waren solche Ereignisse auf Darkover nichts Besonderes. Ein paar von den Geschichten, die sie über die Geisterwäldchen auf Renney gehört hatte, würden wahrscheinlich den beiden ausgesprochen merkwürdig vorkommen. Katherine beschloss, die Geschichte fürs Erste zu akzeptieren. „Kate, ich werde dem Dienstmädchen sagen, es soll ein paar Sachen für deine Kinder zusammenpacken.“ Gisela hielt inne und lächelte ihrer neuen Freundin zu. „Mach dir keine Sorgen, Breda. Geh du nur zu Hermes und bring alles in Ordnung mit ihm, den Rest überlass getrost mir.“ Katherine nickte zustimmend. Sie wusste, sie konnte auf Burg Comyn bleiben oder selbst die Kinder begleiten, aber keine dieser beiden Möglichkeiten würde ihr die Sorge um ihren Mann nehmen. Sie hatte bis jetzt nicht richtig verstanden, wie absolut lebensnotwendig er für sie war, und sollte er bei diesem hirnlosen und riskanten Unternehmen gegen die Föderation umkommen, würde sie lieber mit ihm sterben als noch vierzig oder fünfzig Jahre ohne ihn weiterleben. Sie dachte nicht gern an diese Möglichkeit, aber sie konnte nicht anders. Und falls der schlimmste Fall eintrat, würde sic h Gisela gewiss darum kümmern, dass ihre Kinder versorgt waren.
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Marguerida ärgerte sich über das langsame Tempo des Trauerzugs. Sie musste ihre ganze Willenskraft und lebenslange Disziplin aufbieten, um ihre Ungeduld zu bezähmen. Sie waren seit Tagesanbruch unterwegs, und sie wollte nur so schnell wie möglich in das Dorf kommen, wo sich Domenic aufhielt, und ihren geliebten Sohn in Sicherheit sehen.
Es war jedoch ausgeschlossen, das Gefolge zu mehr Eile anzutreiben. Hinter ihr fuhren fünfundzwanzig Wagen und ebenso viele Kutschen, gesäumt von rund dreihundert Reitern. Sie war nur dankbar dafür, dass sie auf Dyania saß und ein Pferd unter sich spürte, anstatt wie Dom Gabriel und einige andere in einem der Fahrzeuge eingepfercht zu sein. Das hätte sie nicht ausgehalten.
Sie waren im Morgengrauen von Thendara aufgebrochen und auf der alten Nordstraße aus der Stadt geritten, vorbei an Wiesen, über die Herbstnebel trieben. Es war unheimlich still gewesen, und die sanfte Hügellandschaft ringsum, die man durch den Dunstschleier kaum sah, lag wie ausgestorben da.
Das hatte allgemein an den ohnehin strapazierten Nerven gezerrt, und als die Sonne aufging und den Nebel wegheizte, spürte Marguerida eine gewisse Erleichterung in ihrer Umgebung.
Sie ritt nun, umringt von zwanzig Gardesoldaten, neben Mikhail her und versuchte angestrengt an etwas anderes als ihren Sohn zu denken. Konnte es sein, dass seit Regis’ Tod tatsächlich erst acht Tage vergangen waren? Sie drehte sich im Sattel um und blickte nach hinten zu dem Sarg, den ein Tuch im Silber und Blau der Familie Hastur bedeckte. Er ruhte auf einem geschlossenen Wagen mit flachem Bett, der von sechs cremefarbenen Pferden gezogen wurde. Etwas an ihren Gefühlen verwirrte sie ein wenig, denn als Diotima, ihre Stiefmutter, damals gestorben war, hatte sie dies fast sofort akzeptieren können. Natürlich hatte sie mit Dios Tod seit Jahren gerechnet, während der von Regis ohne Vorwarnung eingetreten war, aber nach so vielen Tagen hätte sie sich eigentlich wieder im Griff haben müssen. Doch selbst nach Regis’ erstaunlichem Auftritt während der Ratssitzung hatte sie sein plötzliches Ableben noch nicht hinnehmen können. Ihr blieb nur die Hoffnung, dass sie fähig sein würde, ihr Herz auf den Verlust einzustellen, wenn er bei seinen Vorfahren bestattet war.
Die Ratssitzung hatte ihrem Gatten neue Zuversicht verliehen, und er wirkte nicht mehr so zaudernd und zweifelnd wie in den Tagen unmittelbar nach Regis’ Tod. Sie verstand nicht alles, was in seinem Innern vorgegangen war, aber sie erkannte, dass er nun endlich bereit war, Darkover zu führen.
Jetzt mussten sie nur noch den
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