Der Sohn des Verräters - 21
hartnäckigen Ängste allmählich Spaß machte.
Wenigstens hatte er etwas Konkretes zu tun!
„So nahe?“ Sie klang ein wenig zweifelnd.
„Sie haben nichts dabei, womit sie die Mauern durchbrechen könnten, Valenta, und ich glaube, dass Belfontaine wirklich mit einer sofortigen Aufgabe rechnet. Nach all den Mittelkürzungen durch die Föderation bleibt ihnen nicht viel an fortschrittlicher Bewaffnung, und was sie besitzen, ist fast schon veraltet, auch wenn es auf Darkover immer noch ziemliche Macht hat.“ Rafe sprach so gelassen, dass es die beiden anderen beruhigte.
„Ich bin gespannt, welchen Vorwand Belfontaine für einen Angriff auf die Burg geltend machen wird“, sinnierte Lew. „Ist er bei ihnen, oder ist er im sicheren Hauptquartier geblieben?“ Rafe schnaubte leise. „Ich habe ihn vom Dach aus gesehen, er stolziert daher wie ein Zwerggockel und hat sich mit einem Kampfanzug voller Ordensbänder herausgeputzt, die er sich nicht verdient hat.“ Er zeigte auf ein Fernglas, das ihm um den Hals hing, das Instrument hatte er vor Jahren im Hauptquartier requiriert und bei seinem Abschied nicht zurückgegeben.
Er brachte es oft mit in die Burg und ging mit den Kindern aufs Dach hinauf, von wo aus sie zu ihrem Vergnügen ganz Thendara überblicken konnten. Lew fühlte, wie sehr sich Rafe freute; offenbar hatte auch er noch ein paar Rechnungen mit Belfontaine zu begleichen. Jetzt nahm Margueridas Vater die geistige Energie von Menschen wahr, die durch die fast verlassenen Straßen heranrückten, unter ihnen Belfontaine. Er strömte selbst auf diese Entfernung Zuversicht aus, ganz zu schweigen von einer gewissen Rechtschaffenheit seiner Absichten. Seine Männer teilten seine Gemütslage jedoch nicht ganz, und Lew bemerkte hier und da Zweifel, kleine Eruptionen von Unbehagen, welche die wartenden Leroni sicher zu ihrem Vorteil nutzen würden.
Eine solche Strategie wäre Lew niemals eingefallen, denn es handelte sich um den Plan eines Empathen, und gerade dieses Laran hatte er nie als etwas angesehen, das sich offensiv einsetzen ließ. Aber Valenta hatte Recht – jeder Mensch hatte Ängste, die sich mit dem richtigen Stimulans wecken ließen.
Seine eigenen brauchten keine Hilfe, und er verfluchte stillschweigend seine Einbildungskraft, bevor er sich zwang, damit aufzuhören.
„Lasst uns anfangen.“ Valenta machte eine knappe Geste, und alle nahmen ihren Platz im Kreis der Sessel ein, bis auf die beiden Frauen, die als Überwacherinnen fungierten. Die alte Frau, die gestrickt hatte, schob ihr Handarbeitszeug unter den Sitz und zog langsam ihren Matrixstein aus dem weichen Gewand. Lew fand ihre Bewegungen sehr friedlich und spürte, wie sich sein Geist beruhigte.
Valenta ging zu dem Sessel in der Mitte des Zirkels und setzte sich ordentlich hin. Die einzigen Geräusche waren das Knistern des Feuers und das leise Rascheln von Seide, während ringsum die schimmernden Matrixsteine zum Vorschein kamen. Eine der Überwacherinnen warf etwas in den Kamin, und ein angenehmer Duft zog durch den Raum.
Nach einigen Minuten spürte Lew, wie sich die Atmosphäre im Zimmer änderte, die Gedanken und Energien verschmolzen allmählich, allesamt ausgerichtet auf Valenta. Von ein paar Probedurchgängen im Laufe des Tages abgesehen, hatte er seit Jahren nicht in einem Zirkel gearbeitet, und es fühlte sich fremd und gleichzeitig richtig an. Und er musste tatsächlich nichts weiter tun, als mit Hilfe der Alton-Gabe all diese wundervolle Energie in die großen Matrizen über dem Eingang lenken. Er atmete tiefer und spürte, wie er sich mühelos mit dem Zirkel verflocht, als hätte er sein Lebtag nichts anderes getan. Nun würden sie ja sehen, ob die Matrixwissenschaften die technologischen Vorteile der Terraner übertreffen konnten. Er kicherte innerlich. Es war wirklich ein eleganter Plan, und wenn sie heil aus der Sache herauskamen, würde er den einen oder anderen Kelch auf die Gesundheit des jungen Rideno w erheben.
Lyle Belfontaine schritt die schmale Straße entlang und achtete nicht auf das raue Wetter und das leichte Unbehagen tief in ihm. Doch nicht die Einnahme von Burg Comyn bereitete ihm Sorgen, denn die Diener, die man in dem riesigen Gebäude zurückgelassen hatte, würden ihn bestimmt nicht aufzuha1ten versuchen. Der andere Angriff, der an der Straße, machte ihm Kopfzerbrechen. Er hatte am Vorabend den Befehl zum Angriff erteilt, und er wusste, dass die Truppen aus der Domäne Aldaran von dort aufgebrochen
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