Der Sohn des Verräters - 21
aufmerksam zugehört, ohne jedes Anzeichen von Überraschung. Und als er endlich sprach, war es still geworden im Raum. „Wenn sie tatsächlich beabsichtigen, den Trauerzug anzugreifen, dann werden sie wahrscheinlich auch versuchen, Burg Comyn zu besetzen – was wir verhindern müssen, wie wohl klar sein dürfe.“ Er hatte Lew, Mikha il und Danilo angesehen und zu Widerspruch herausgefordert. Als niemand Einwände erhob, war Francisco, der nicht gern viele Worte verlor, sofort zur Sache gekommen.
„Ich habe diese Möglichkeit seit längerem in Betracht gezogen und einen Plan erstellt.“ Mik hail hatte genickt und seine etwaige Überraschung geschickt verborgen. „Gut. Sagt uns, was Ihr braucht.“ Während einen Moment zuvor noch Spannung geherrscht hatte, schien sich nun eine Atmosphäre der Gelassenheit in der Runde auszubreiten. Was früher auch an Zwistigkeiten existiert haben mochte, sie waren für den Augenblick vergessen. Francisco hatte in kurzen, abgehackten Sätzen gesprochen, und Lew erkannte, dass er die Gerissenheit des Kommandeurs ernsthaft unterschätzt hatte. Der Plan, den der junge Ridenow unterbreitete, war eine schlaue Verbindung von militärischem Geschick und Laran . Wenn man bedachte, dass es Francisco an echter Gefechtserfahrung fehlte, besaß er einen Sinn für Taktik, der eines Feldherrn mit der Erfahrung von hundert Schlachten würdig gewesen wäre. Er entwarf einen wagemutigen und einfallsreichen Plan, und Lew hatte den Mann zutiefst bewundert. Der Umstand, dass der ganze Plan auf einer Reihe von Täuschungsmanövern beruhte, war gleichermaßen gefällig wie erschreckend. Zunächst gab es die Täuschung, dass die gesamte Burgwache abgezogen und die Burg selbst so gut wie menschenleer sei. Die Stadtwachen hatten Anweisung, sich nirgendwo blicken zu lassen, um so zu dem Eindruck beizutragen, dass man mit keinem Angriff rechnete. Und da Lew wusste, wie leicht Belfontaine zu ködern war, traute er ihm zu, in die Falle zu gehen; die Gelegenheit musste einfach zu verlockend für ihn sein. Und falls er nicht darauf hereinfiel, war es auch gut.
Lew musste an das Gespräch zwischen Francisco und Marguerida denken, als der Mann zuletzt doch ins Stocken geriet.
„Ich weiß allerdings nicht, was wir gegen die Energiewaffen ausrichten können, und ich muss zugeben, dass mir das seit Tagen Sorgen bereitet.“ „Seid Ihr mit dem ursprünglichen Bauplan der Burg vertraut, Francisco?“ „Ich kann Euch nicht ganz folgen, Domna .“ Marguerida deutete zu den zerstörten telepathischen Dämpfern, die in dem Licht schimmerten, das durch die hohen Fenster fiel. „Als die Burg erbaut wurde, oder jedenfalls als der Bau begonnen wurde, war er ganz anders als heute.“ „Und woher wisst Ihr das?“ „Ich besitze noch immer die Erinnerungen von Ashara Alton, die in vielerlei Hinsicht die Architektin dieses Gebäudes war. Es gibt hier Durchgänge, die seit Jahren verschlossen sind. Tatsächlich könnte man fast behaupten, dass zwei Burgen existieren, eine unter der äußeren Haut der anderen. Ihr könntet tausend Männer in diesen Gängen verstecken, wenn Ihr sie hättet. Und das ist noch nicht alles.“ Franciscos Augen hatten geleuchtet. „Ihr habt meine ungeteilte Aufmerksamkeit, Domna Marguerida.“ Alle anderen Ratsmitglieder waren ebenso interessiert, trotz ihrer Müdigkeit hatten sie sich vorgebeugt und platzten beinahe vor Neugier.
Lew erinnerte sich, wie Margueridas Wangen geglüht hatten, als sie fortfuhr. „Ich weiß, die meisten von euch glauben, dass Ashara viel von ihrer Macht in den Alten Turm gelegt hat. Aber sie war eine argwöhnische betagte Eule. Sie hatte gern alles unter Kontrolle, und am meisten war sie auf ihre persönliche Sicherheit bedacht. Deshalb baute sie dieses Labyrinth von Gebäuden, ihr raffiniertester und heimtückischster Schachzug aber war, eine Reihe von großen Matrizen an allen Eingängen zu verstecken.“ „Wovon redet Ihr da, verdammt noch mal?“, brauste Dom Francisco Ridenow auf, der das Gespräch zwischen seinem Sohn und Marguerida mit sichtlichem Unbehagen verfolgte.
„Die Matrizen sind zurzeit nicht aktiv und gut hinter dem Mauerwerk verborgen.“ Sie hob die linke Hand. „Aber ich kann sie problemlos aktivieren.“ „Und warum hast du diese bemerkenswerte Tatsache bis jetzt nie erwähnt?”, fragte Javanne müde und heiser.
„Dazu bestand kein Anlass.“ „Und wie kommt es, dass niemand außer dir von diesen Matrizen weiß?“ Lady Marilla
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