Der Sohn des Verräters - 21
erregten Zustand zurückzuführen war.
Es machte ihn rasend, wie blasiert der Mann auftrat. Es musste einen Weg geben, durch Lew Altons arrogantes Triumphgehabe zu dringen. Aber er fühlte sich so schwach, so konfus und gedemütigt, dass es ihm schwer fiel, sich auf irgendetwas zu konzentrieren. Es kam ihm vor, als wären alle seine Empfindungen, abgesehen von Angst, zu bloßen Schatten verblasst. Ja, er hatte entschieden Angst, aber er sollte verdammt sein, wenn er es sich anmerken ließ.
Er nahm den angebotenen Becher und zwang seinen schwerfälligen Verstand, sich in Bewegung zu setzen. Es musste eine vernünftige Erklärung für das alles geben. Eine Bande zurückgebliebener Halbwilder konnte doch unmöglich seine ausgebildeten Soldaten so mühelos besiegt haben. Er trank einen Schluck Wein und zermarterte sich das Gehirn.
Sie mussten irgendwie Sabotage an den Kampfanzügen betrieben haben – das war es! Es war bestimmt irgendwer vom einheimischen Personal gewesen, wenn er sich auch nicht vorstellen konnte, wie sie es gemacht hatten. Und jetzt war er ein Gefangener. Es war ihm nie in den Sinn gekommen, dass er scheitern könnte, und er dachte daran, wie ihm sein Vater erschienen war und ihn einen Versager genannt hatte. Das war alles völlig unmöglich! Die Stille im Raum lastete schwer auf ihm.
„Ich dachte, Sie seien beim Trauerzug“, murmelte er. Der weinerliche Tonfall seiner Stimme gefiel ihm gar nicht, und er versuchte immer noch, irgendwie aus dem ganzen Schlamassel schlau zu werden. Der Zug! Wie viel Zeit war inzwischen vergangen? Er konnte es nicht sagen, und er entdeckte nirgendwo eine Uhr. Der Trauerzug war bei Tagesanbruch losmarschiert, und er hatte mehrere Stunden gewartet, ehe er seinen Angriff begann. Er schauderte bei der Erkenntnis, mit welchem Fehlschlag er geendet hatte. Inzwischen musste der Überfall stattgefunden haben, und er allein wusste, dass die meisten Mitglieder des Rats der Comyn wahrscheinlich tot waren. Die Truppen aus den Hellers dürften keine Kampfanzüge der Föderation getragen haben und müssten deshalb immun gegen diesen unerwarteten Verrat gewesen sein. O nein, noch war die Sache keineswegs ganz verloren für ihn.
Belfontaine biss sich auf die Unterlippe. Er sehnte sich danach, sein Wissen hinauszuposaunen, diesen selbstgefälligen Ausdruck aus Lew Altons verrunzeltem Narbengesicht zu tilgen, ihm zu sagen, dass seine Tochter tot war! Aber er durfte diesen Vorteil nicht so billig verschleudern. Sollte Alton ruhig eine Weile denken, er habe die Oberhand. Der Wein war sehr gut, und er schien ihm langsam wieder zu einem klaren Kopf zu verhelfen.
„Sicher dachten Sie das, aber da ich mit Ihrem Besuch gerechnet habe, beschloss ich, ein guter Gastgeber zu sein und auf Sie zu warten.“ „Sie haben … mit mir … gerechnet?“ Der Wein verwandelte sich in seinem Mund zu Essig.
„Natürlich. Sie haben sich eingeredet, Burg Comyn würde eine leichte Beute sein. Sie haben uns immer unterschätzt, Lyle. Das ist Ihr tödlicher Fehler.“ „Tödlich? Was haben Sie mit mir vor?“ „Na, Sie werden eine Weile mein Gast sein.“ Lew Altons Gesicht war feierlich, aber in den Augen des Comynherrn flackerte ein Licht, bei dem Belfontaine nicht wohl war. „Und später werde ich Sie an die Föderation ausliefern – immer vorausgesetzt, es kommt noch jemand, um Sie abzuholen. Sollen die sich um Sie kümmern. Es kann natürlich sein, dass mein Schwiegersohn andere Pläne mit Ihnen hat, wenn er zurückkommt – aber ich versichere Ihnen, sie werden nicht allzu barbarisch sein.“ Das war zu viel. Er konnte sich keinen Augenblick länger beherrschen. „Da werden Sie aber lange warten müssen, denn er wird nicht zurückkommen! Er ist tot, genau wie alle anderen Teilnehmer des Zuges!“ Alton wirkte ungerührt, nicht die Spur ängstlich. „Aber, aber, Lyle. Es wäre klüger gewesen, nicht zuzugeben, dass Sie darüber Bescheid wissen. Wesentlich klüger.“ Belfontaine fühlte, wie ihm das Blut aus dem Gesicht wich.
Die Ohren dröhnten ihm, und ihm wurde schlecht. Mit großer Mühe schluckte er den Speichel, der sich in seinem Mund gesammelt hatte, und schrie; „Sie dummer Bastard – Ihre Tochter ist tot!“ Zu seinem Erstaunen und seiner Wut bestand Lew Altons einzige Reaktion in einer leichten Belustigung. „Nein, kleiner Mann, das ist sie ganz gewiss nicht!“
25
Während die Kutsche die Straße entlangratterte, rutschte Domenic auf seinem Platz vor und zurück. Er saß
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