Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Sohn des Wolfs

Der Sohn des Wolfs

Titel: Der Sohn des Wolfs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack London
Vom Netzwerk:
Hände.
    Aber das Versprechen sollte nicht eingelöst werden. Nordland ist Nordland, und die Menschen leben hier ihr Seelenleben nach seltsamen Gesetzen, die andere Menschen, die nicht in fernen Ländern gereist sind, nie verstehen werden.
     
     
    Eine Stunde später stellte Cuthfert eine Pfanne mit Brot in den Ofen und begann darüber nachzudenken, was die Ärzte nach seiner Rückkehr wohl mit seinen Füßen machen würden. Die Heimat schien ihm jetzt nicht so fern.
    Weatherbee rumorte in der Vorratskammer. Plötzlich stieß er einen Strom von Verwünschungen aus, der aber mit erschreckender Plötzlichkeit abbrach. Der andere hatte von seinem Zucker gestohlen.
    Immerhin wäre es vielleicht anders gekommen, wenn nicht die beiden Toten unter ihren Steinen hervorgekommen wären und ihm wütende Drohungen in die Kehle geblasen hätten. Sie führten ihn ganz leise aus der Vorratskammer, die er abzuschließen vergaß; jetzt war es soweit; was sie ihm in seinen Träumen zugeflüstert hatten, mußte jetzt vollbracht werden. Sie führten ihn leise, ganz leise zum Holzstapel und legten ihm die Axt in die Hände. Dann halfen sie ihm, die Tür der Hütte aufzuschieben, und er war sicher, daß sie sie hinter ihm schlossen – wenigstens hörte er sie hinter sich zuschlagen und die Klinke einschnappen. Und er wußte, sie warteten draußen, daß er es täte.
    »Carter! Hör doch, Carter!«
    Percy Cuthfert war entsetzt über den Ausdruck im Gesicht des Kontoristen, und er sprang hinter den Tisch.
    Carter Weatherbee folgte ihm, ohne sich zu übereilen und ohne Aufregung. Sein Gesicht drückte weder Mitleid noch Leidenschaft aus, eher die ruhige Zielbewußtheit eines Menschen, der eine bestimmte Arbeit zu verrichten hat und sich methodisch daranmacht.
    »Was ist denn los?«
    Der Kontorist wich zurück und schnitt dem andern den Rückzug zur Tür ab, sagte aber kein Wort.
    »Aber sag doch, Carter, was ist? Sei doch vernünftig.«
    Der Akademiker bedachte sich schnell und machte dann eine blitzschnelle Bewegung nach dem Bett, wo sein »Smith and Wesson« lag. Die Augen auf den Wahnsinnigen gerichtet, ließ er sich rückwärts in die Koje fallen und ergriff gleichzeitig den Revolver.
    »Carter!«
    Der Schuß brannte Weatherbee gerade ins Gesicht, aber er schwang seine Waffe und sprang ihn an. Die Axt schnitt tief unten ins Rückgrat, und Percy Cuthfert spürte, wie jedes Gefühl in seinen unteren Gliedmaßen schwand. Dann fiel der Kontorist schwer über ihn und tastete mit schwachen Fingern nach seiner Kehle. Der scharfe Hieb der Axt hatte verursacht, daß Cuthfert den Revolver fallen ließ, und nach Luft schnappend suchte er zwischen den Decken nach ihm. Dann kam ihm ein Gedanke. Er griff nach dem Messer im Gürtel des Kontoristen, und jetzt waren sie zum letztenmal aneinander.
    Percy Cuthfert fühlte seine Kräfte schwinden. Der untere Teil seines Körpers war unbrauchbar. Das tote Gewicht Weatherbees erdrückte ihn – erdrückte ihn und hielt ihn fest wie einen Bären in der Falle. Die Hütte füllte sich mit einem wohlbekannten Geruch, und er wußte, daß das Brot anbrannte. Aber was tat das? Er brauchte es nicht mehr. Und im Sack waren noch sechs Tassen Zucker – hätte er gewußt, was geschehen würde, so würde er nicht damit gespart haben. Ob die Wetterfahne sich je bewegen würde? Vielleicht drehte sie sich gerade jetzt. Warum nicht? Hatte er nicht heute die Sonne gesehen? Er wollte sich erheben und nachsehen. Nein. Er konnte sich nicht regen. Er hatte nicht gedacht, daß der Kontorist so schwer sei.
    Wie schnell die Hütte kalt wurde! Das Feuer mußte ausgegangen sein. Die Kälte drang herein. Es mußte schon unter dem Gefrierpunkt sein, und die Tür war schon innen bereift. Er konnte es zwar nicht sehen, aber die Erfahrung ermöglichte es ihm, nach der Temperatur in der Hütte zu urteilen. Jetzt mußte die untere Angel weiß sein.
    Ob der Bericht von dem, was hier geschah, je die Heimat erreichte?
    Was würden die Freunde dazu sagen? Sie würden es wohl beim Kaffee lesen oder im Klub darüber sprechen. Er konnte sie deutlich sehen: »Der arme Cuthfert«, murmelten sie, »er war doch ein netter Kerl.« Er lächelte über ihre Lobreden und ging weiter, er suchte ein Türkisches Bad. Die Straße zeigte das alte Gedränge. Seltsam, daß niemand seine Elchsledermokassins und seine zerlöcherten Strümpfe beachtete. Er wollte einen Wagen nehmen. Und nach dem Bade mußte es angenehm sein, sich rasieren zu lassen. Nein, erst

Weitere Kostenlose Bücher