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Der Sohn des Wolfs

Der Sohn des Wolfs

Titel: Der Sohn des Wolfs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack London
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Prinzessin«. Alle andern hatten sich demaskiert, aber die griechische Tänzerin hatte man noch nicht gefunden. Alle Augen richteten sich auf die Gruppe. Cal Galbraith lüftete auf die allgemeinen Zurufe die Maske seiner Dame. Das wundervolle Gesicht und die strahlenden Augen Fredas leuchteten ihnen entgegen. Der Lärm, der sich erhob, legte sich plötzlich wieder; jeder wollte das Rätsel der »Russischen Tänzerin« lösen. Ihr Gesicht war aber immer noch verborgen, und Jack Harrington rang mit ihr.
    Die andern schwebten in höchster Spannung. Er zerknüllte ihr rücksichtslos das prächtige Kleid, und dann – brachen die Zuschauer in Lachen aus. Der Scherz war köstlich. Sie hatten die ganze Nacht mit einer der verachteten Eingeborenen getanzt.
    Die aber, die sie kannten, und das waren viele, hörten plötzlich zu lachen auf, und es wurde still im Saal. Cal Galbraith trat zornig mit langen Schritten auf Madeline zu und redete sie in der Chinook-Sprache an. Sie bewahrte indessen ihre Fassung, bemerkte scheinbar gar nicht, daß sie das Ziel aller Blicke war, und antwortete ihm auf englisch. Sie zeigte weder Furcht noch Zorn, und Malemute Kid lachte im stillen vor Freude über ihren Gleichmut. Der König war überrumpelt und geschlagen; seine einfache Siwash-Frau hatte sich ihm überlegen gezeigt.
    »Komm!« sagte er dann schließlich. »Komm nach Hause.«
    »Du mußt entschuldigen«, antwortete sie, »aber ich habe mich mit Herrn Harrington zum Abendbrot verabredet. Außerdem habe ich noch viele Tänze versprochen.«
    Harrington bot ihr den Arm, um sie fortzuführen. Er zeigte nicht die geringste Furcht, dem König den Rücken zu kehren, denn Malemute Kid stand jetzt ganz in der Nähe. Der König von Circle City war wie vor den Kopf geschlagen. Zweimal fuhr seine Hand nach dem Gürtel, und zweimal schickte Malemute Kid sich an, einzuschreiten; Harrington und Madeline aber schritten ruhig zur Tür hinaus in den Speisesaal, wo eingemachte Austern zu fünf Dollar das Gedeck serviert wurden. Ein Seufzer der Erleichterung ging durch die Menge, dann folgte man ihnen paarweise. Freda maulte und ging mit Cal Galbraith hinein. Aber sie hatte ein gutes Herz und eine scharfe Zunge und verdarb ihm den Appetit an den Austern. Was sie sagte, ist nicht weiter von Bedeutung, aber er wurde abwechselnd rot und blaß und verfluchte sich immer wieder im stillen.
    Ein Gewirr von Stimmen erfüllte den Raum, aber plötzlich wurde es still: Cal Galbraith erhob sich und trat an den Tisch seiner Frau. Seit der Demaskierung waren Unsummen auf den Ausgang der Sache gesetzt worden. Was jetzt geschah, wurde von jedem einzelnen mit atemloser Spannung beobachtet. Harringtons blaue Augen waren ruhig, aber unter dem Tischtuch balancierte ein ›Smith and Wesson‹ auf seinen Knien, Madeline sah wie zufällig und scheinbar interesselos auf.
    »Darf – darf ich den nächsten Walzer mit dir tanzen?« stotterte der König.
    Das Weib des Königs blickte auf ihre Tanzkarte und neigte einwilligend den Kopf.

 
Eine Odyssee des Nordens
     
     
     
    Die Schlitten sangen ihr ewiges Klagelied, begleitet vom Knirschen der Geschirre und dem Läuten der Schellen des Leithundes; aber Männer und Hunde waren müde und gaben keinen Ton von sich. Es war eine schwere Fahrt durch den frischgefallenen Schnee, sie kamen weither, und die von steinharten Blöcken aus gefrorenen Elchhäuten schwer belasteten Kufen bissen sich mit fast menschlicher Hartnäckigkeit in der losen Oberfläche fest. Die Dunkelheit brach herein, aber es sollte heute kein Lager aufgeschlagen werden. Der Schnee fiel leise durch die ganz stille Luft, nicht in Flocken, sondern in winzigen, wunderbar geformten Eiskristallen. Es war warm – nur 10 Grad Fahrenheit unter Null –, und das galt den Männern für nichts. Meyers und Bettles hatten ihre Ohrenklappen hochgeschlagen, und Malemute Kid hatte sogar die Fausthandschuhe ausgezogen.
    Die Hunde waren früh am Nachmittag ermattet gewesen, begannen sich aber jetzt wieder zu erholen. Die schlausten verrieten eine gewisse Unruhe – sie zerrten ungeduldig an den Strängen, schnauften und spitzten die Ohren. Sie ärgerten sich über ihre schlafferen Brüder und trieben sie, wenn sich die Gelegenheit bot, an, indem sie ihnen tückisch nach den Hinterbeinen schnappten. Jene, derart aufgemuntert und angespornt, halfen wieder die anderen antreiben. Endlich stieß der Leithund des ersten Schlittens ein Freudengeheul aus, streckte sich, daß sein Bauch fast

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