Der Sohn des Wolfs
gerade gute Nachrichten vom Stuart gekommen, und Madeline hatte sich selbst übertroffen – nicht nur in ihrer Haltung und Anmut, sondern auch in weiblicher Koketterie. Es hatte ein kleines Scharmützel gegeben, aus dem sie mit Glanz hervorgegangen war, und dann hatte sie sie, hingerissen von dem Rausch des Augenblicks und dem Gefühl ihrer eigenen Macht, mit dem erstaunlichsten Erfolg herumkommandiert, gequält, ihnen geschmeichelt und sie protegiert. Instinktiv, unfreiwillig hatten sie sich gebeugt: nicht vor ihrer Schönheit, ihrer Größe oder ihrem Witz, sondern vor diesem Unbestimmbaren der Frau, dem der Mann sich beugt, obwohl er nicht sagen kann, was es ist.
Es war, als zittere die Luft drinnen von Freude, als sie und Prince im letzten Tanz dieses Abends herumwirbelten. Harringtons Geige ertönte unbeschreiblich klangvoll, während Malemute Kid ganz verlassen mit dem Besen dasaß und sich im Takte der Musik wiegte.
In diesem Augenblick wurde kräftig an die Tür geklopft, und gleichzeitig sahen sie, wie die Klinke herabgedrückt wurde. Es war indessen nicht das erstemal, daß dies geschah. Harrington ließ sich nicht aus dem Takt bringen. Madeline schoß durch die offene Tür in die Hinterstube, der Besen unters Bett, und als Cal Galbraith und Louis Savoy die Köpfe hereinsteckten, sahen sie Malemute Kid und Prince miteinander einen wilden Schottischen durch die Stube tanzen.
Im allgemeinen kann man sagen, daß Indianerinnen nicht so leicht ohnmächtig werden; aber Madeline war einer Ohnmacht so nahe wie nur je in ihrem Leben. Eine Stunde lang lag sie zusammengekauert auf dem Boden und lauschte auf das laute Sprechen der Männer, das wie ferner Donner rollte. Wie bekannte Töne einer Kindheitsmelodie strömte jede Betonung, jede Eigenart in der Stimme ihres Mannes auf sie ein, jagte ihr das Blut zum Herzen und ließ ihre Knie zittern, daß sie schließlich in halber Ohnmacht an der Tür lehnte. Als ihr Mann sich verabschiedete, konnte sie kaum noch hören oder sehen. »Wann gedenkst du nach Circle City zu gehen?« fragte Malemute Kid schlicht.
»Hab’ noch nicht drüber nachgedacht«, erwiderte er. »Glaube nicht, ehe das Eis bricht.«
»Und Madeline?«
Cal errötete bei der Frage und schlug schnell die Augen nieder. Malemute Kid würde ihn verachtet haben, hätte er den Mann nicht so gut gekannt. Jetzt wandte sich sein Zorn gegen die Frauen und Töchter, die ins Land gekommen waren, und, nicht zufrieden damit, den Platz der eingeborenen Frauen eingenommen zu haben, auch die Gedanken der Männer verunreinigt und Schande über sie gebracht hatten.
»Ich denke, daß es ihr gut geht«, antwortete der König von Circle City hastig in einem Ton, als wolle er sich verteidigen. »Tom Dixon ist mein Verwalter und sorgt, daß ihr nichts abgeht.«
Malemute Kid legte ihm die Hand auf den Arm und brachte ihn plötzlich zum Schweigen.
Sie waren hinausgegangen. Über ihnen strahlte das Nordlicht gleich einer launischen Schönheit in den wunderbarsten Farben. Zu ihren Füßen lag die schlafende Stadt. Weit in der Ferne hörten sie das Bellen eines einsamen Hundes.
Der König begann wieder zu sprechen; aber Malemute Kid drückte ihm die Hand, um ihn zum Schweigen zu bringen.
Der Lärm verstärkte sich. Einer nach dem andern begannen die Hunde zu heulen, bis ein vielstimmiger Chor die Nacht erfüllte. Wer zum erstenmal diesen Höllengesang hört, dem ist es, als vernehme er das erste und größte Geheimnis des Nordlandes. Wer es oft gehört hat, dem klingt es wie feierliches Glockenläuten über toter Hoffnung, vergeudeten Kräften. Denn es liegen darin das Geheimnis vom Erbe des Nordlandes, die Klagen gefolterter Seelen, die Leiden zahlloser Geschlechter – es ist die Messe für die verirrten Seelen der Welt.
Cal Galbraith zitterte leicht, als das Gebell in einem halberstickten Schluchzen erstarb.
Kid las seine Gedanken wie in einem offenen Buch und wanderte mit ihm zurück durch all die schweren Tage der Not und Krankheit; stets war Madeline geduldig an seiner Seite gewesen, hatte Gefahren und Leiden mit ihm geteilt, nie zweifelnd, nie klagend. Vor seinem inneren Auge sah er Dutzende von strengen, unerbittlichen Bildern, und die Vergangenheit legte ihm ihre Hand aufs Herz. Es war ein kritischer Augenblick. Malemute Kid fühlte sich versucht, seinen letzten Trumpf auszuspielen; die Lehre war aber noch nicht hart genug, und er hielt sich zurück.
Einen Augenblick später hatten sie sich die Hände
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