Der Sohn des Wolfs
gedrückt.
Der König schritt den Hügel hinunter, und man hörte nur das Knirschen des Schnees unter seinen perlengestickten Mokassins.
Die niedergeschlagene Madeline war eine ganz andere als das heitere Geschöpfchen, dessen Macht vor einer Stunde so ansteckend gewesen, dessen heiße Wangen und strahlende Augen ihre Lehrer alles hatten vergessen lassen. Schwach und kraftlos saß sie auf dem Stuhl, ganz wie Prince und Harrington sie hingesetzt hatten. Malemute Kid stutzte. Das ging nicht gut. Wenn der Augenblick kam, da sie ihrem Mann begegnete, mußte sie mit der Überlegenheit einer Königin auftreten können. Es war durchaus notwendig, daß es mit der ganzen Routine einer weißen Frau geschah, sonst wurde der Sieg kein Sieg. Das sagte er ihr streng, ohne seine Worte zu mildern, und weihte sie in die Schwächen seines eigenen Geschlechts ein, bis sie verstand, welche Toren die Männer im Grunde waren, und warum der Wille ihrer Frauen ihnen Gesetz war.
Wenige Tage vor dem Bußtag stattete Malemute Kid Frau Eppingwell einen Besuch ab. Sie durchsuchte sofort ihre ganze Garderobe, machte einen längeren Abstecher in die Manufakturwarenabteilung der P. C. Kompanie und begleitete dann Malemute Kid heim, um Madeline kennenzulernen.
Nun folgte eine Zeit, wie die Hütte sie noch nie gesehen hatte, und die Folgen von all dem Zuschneiden, Anprobieren, Nähen und Schneidern und vielen andern merkwürdigen, bisher unbekannten Dingen war, daß die drei männlichen Verschworenen den größten Teil der Zeit in der Verbannung leben mußten. Dann öffnete die »Oper« ihnen freundlich ihre Pforten, und oft steckten sie die Köpfe zusammen und tranken mit so seltsamen Reden, daß Leute, die sonst nichts zu tun hatten, unbekannte Flüsse mit unberechenbaren Reichtümern ahnten, und daß verschiedene Chechaquas und schließlich auch einer von den Alten ihre Reiseausrüstung hinter dem Schanktisch verstauten, um ihnen sofort folgen zu können.
Frau Eppingwell war eine tüchtige Frau, und als sie am Bußtag Madeline ihren Beschützern übergab, war eine Verwandlung mit ihr vorgegangen, daß sie sich beinahe vor ihr fürchteten. Prince legte ihr einen Hudson-Bai-Schal um die Schultern mit einer übertriebenen Ehrerbietung, die echter war, als sie aussah. Malemute Kid, dessen Arm sie genommen hatte, fand es nicht ganz leicht, seine alte Vormundschaft wieder aufzunehmen. Jack Harrington trottete, immer die Liste der Kaufsumme im Kopfe, hinterher und tat auf dem ganzen Wege zur Stadt nicht einmal den Mund auf. Als sie an die Hintertür der »Oper« kamen, nahmen sie Madeline den Schal von den Schultern und breiteten ihn über den Schnee aus. Sie schlüpfte aus Princes Mokassins und trat in ihre neuen Satinschuhe. Der Maskenball hatte gerade seinen Höhepunkt erreicht. Sie zögerte; aber die Männer öffneten die Tür, führten sie hinein und gingen dann ums Haus herum, um selbst durch die Vordertür einzutreten.
»Wo ist Freda?« fragten die Alten, während die Chechaquas ebenso energisch fragten, wer Freda war. Der Ballsaal summte von ihrem Namen. Er war auf aller Lippen. Ergraute Pioniere, Tagelöhner in den Minen, aber stolz auf ihren Altersrang, machten sich vor den Jüngeren wichtig und logen wortreich – es ist das Vorrecht der alten Klondikepioniere, es mit der Wahrheit nicht so genau zu nehmen – oder warfen ihnen indignierte Blicke wegen ihrer Unwissenheit zu. Es befanden sich vielleicht vierzig Könige des Oberlandes und Unterlandes auf dem Tanzboden, und jeder von ihnen glaubte sich auf der rechten Fährte und hielt unerschrocken Beutel voller Goldstaub auf seinen Favoriten. Dem Mann an der Waage, der die Beutel abzuwiegen hatte, wurde ein zweiter zu Hilfe geschickt, während mehrere von den Spielern, die die Gesetze des Spiels in- und auswendig kannten, Listen über die Kandidaten aufstellten.
Welche Maske war Freda? Immer wieder glaubte man die griechische Tänzerin entdeckt zu haben, aber jede Entdeckung verursachte eine Panik unter den Spielern und veranlaßte nur den wilden Abschluß neuer Wetten unter denen, die ihrer Sache sicher zu sein glaubten. Auch Malemute Kid beteiligte sich an der Jagd; sein Eintritt war von den Anwesenden, die ihn alle wie einer kannten, mit großem Hallo begrüßt worden. Kid hatte ein gutes Auge für die Eigenart einer Bewegung, ein feines Ohr für den Tonfall einer Stimme, und seine Wahl fiel auf ein Wesen, das als strahlendes »Nordlicht« erschienen war. Aber die griechische
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