Der Sohn (German Edition)
niederländischer Kolonisten trügen. Ich bemühte mich seit Jahren um eine Aufenthaltsgenehmigung für sie, was nicht so recht gelingen wollte, da sie nie einen Asylantrag gestellt hatte.
Für Mitch war es in den ersten Lebensjahren herrlich gewesen, im Haus herumtollen zu können und ein eigenes großes Zimmer zu haben. Tess liebte später, als wir aus den USA zurückkehrten und uns wieder im Haus einrichteten, vor allem auch die Schaukel, die unter dem Dach an einem der hohen Balken hing. Der Rasen hinter dem Haus wurde jetzt für Mitch und seine Freunde zum Fußballplatz.
Ich hatte mir das kleinste, aber hellste Zimmer ausgesucht. Dort spielte ich, dass ich nach wie vor mein eigenes Leben hätte. Ich hatte viel Mühe darauf verwandt, alles bequem und gemütlich einzurichten, dabei aber trotzdem dem Stil unserer so viel kleineren alten Wohnung im Amsterdamer Jordaan-Viertel treu zu bleiben, doch ich konnte nicht verhindern, dass nach und nach die Insignien von Wohlstand und Modernität den Weg in unser Haus fanden. Auch bei uns trat an die Stelle der althergebrachten Küche der offene Raum mit Kochinsel, wurden die alten Holzdielen herausgerissen und durch große graue Steinfliesen ersetzt, die schmutzabweisender waren, hielten Regendusche und Betonelemente Einzug ins Badezimmer und fanden alle anderen Formen modernen Designs ihren Platz in Diele, Wohnzimmer und Schlafzimmern – nur hier und da noch aufgelockert durch meinen fröhlich-bunten Blümchenkrimskrams von früher. Bin ich schon genauso geworden wie unser Haus?, fragte ich mich manchmal. Oder bin ich ein vergessenes Überbleibsel aus längst vergangenen Zeiten?
So richtig auskosten ließ sich der Luxus auch deswegen nur bedingt, weil Jacob, dessen ehrgeiziges Streben nach »Höherem« nicht recht anschlagen wollte, oft zu Hause herumbrütete, wenn er sich nicht im Büro um Dinge kümmern musste, die ihn immer weniger interessierten. Zehn Jahre nach dem Rausch des Überschwangs, in den ihn die Anfangserfolge versetzt hatten, suchte er vergeblich nach einem Projekt, das ihn intellektuell gleichermaßen befriedigen und ihm genauso viel Ruhm und Reichtum einbringen würde wie sein erster richtiger Knüller. Er besaß inzwischen eine eigene Firma, die sehr erfolgreiche und lukrative Fernsehfilme produzierte, aber der Traum, noch einmal einen Film zu machen, mit dem er sich in vergleichbarem Maße identifizieren konnte wie mit Tolle Dienstagabende, hatte sich nicht erfüllt.
Ich hatte Verständnis für diesen Traum, aber mir war seit Jahren so, als würde ich Jacob gar nicht mehr richtig kennen. Er nahm zwar wie früher regen Anteil an allem, was sich in der Welt abspielte, aber da er andererseits eine geradezu hysterische Angst davor entwickelt hatte, dass der Reichtum, der bis vor wenigen Jahren noch so irrelevant für ihn gewesen war (jedenfalls hatte er mich das früher glauben gemacht), womöglich von jetzt auf nachher vorbei sein könnte, ließ er sich jetzt immer wieder des Geldes wegen auf kommerzielle Projekte ein, die ihm eigentlich nichts sagten.
»Wir können nicht von der Luft leben, Saar, oder von deinen Artikelchen!«, polterte er dann.
Da hatte er natürlich recht, und es war ja auch ganz in Ordnung, dass Jacob dann eine Zeitlang nicht zu Hause hockte und brütete, aber ich wusste ganz genau, dass die Stimmung danach wieder auf den Tiefpunkt sinken würde und ich auszubaden hätte, dass er so eine dämliche Fernsehserie habe machen müssen, die er gar nicht vertreten könne. Jacob lebte immer auf, wenn er viel zu arbeiten und zu organisieren hatte – ich auch, weil er dann nicht zu Hause war.
19
Drei Wochen waren seit Baden-Baden vergangen, und weder meine Mutter noch ich hatten etwas von Tara gehört. Unmöglich fand ich das von ihr. Ich arbeitete inzwischen an einem Artikel über in Vergessenheit geratene Gemüsesorten, solche Themen halste man mir des Öfteren auf. Meine Spezialität bei der Zeitung war nämlich, dass ich keine Spezialität hatte. Ich war die richtige Adresse für alles Kuriose, nicht zu Politische, das einen seriösen Beitrag wert, aber leicht genug für die letzte Seite war. Das hatte ich mir nach Baden-Baden zunutze machen können und einen Artikel mit der Überschrift »Heilbäder – Mythos und Wahrheit« verfasst.
Die Briefe von meiner Großmutter hatte ich nicht vergessen, aber noch fehlte mir der Mut, in den Sachen meines Vaters zu schnüffeln. So weit war ich noch nicht. Und mit der Zeit kam es mir
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