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Der Sokrates-Club

Der Sokrates-Club

Titel: Der Sokrates-Club Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nathalie Weidenfeld , Julian Nida-Ruemelin
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geschehen ist. Der Status des Leibeigenen wäre mit unserem heutigen Verständnis der Menschenwürde unvereinbar, auch dann, wenn dieser Status freiwillig angenommen würde.
    Dennoch gibt es im privaten Bereich auch in der modernen Gesellschaft unterschiedliche Formen von Abhängigkeitsverhältnissen, emotionale, soziale und ökonomische. Wir begegnen uns nicht überall auf gleicher Augenhöhe, und die ethische Theorie muss dem gerecht werden. Die moderne Ethik tut sich in dieser Hinsicht schwer. Sie postuliert eine anthropologische, das heißt im Menschenbild begründete, gleiche Freiheit und leitet daraus gleiche Rechte und gleiche Pflichten ab, während die antike und die mittelalterliche Ethik von Ungleichheit und natürlichen Herrschaftsverhältnissen ausging und entsprechend unterschiedliche Rechte und Pflichten definierte. Gleiche Freiheit charakterisiert die politische Sphäre, als Bürgerinnen und Bürger, als Rechtsobjekte sind wir frei und gleich. Dies ist die Grundlage aller Demokratie.
    Wer eine Mutter oder ein Vater ist und diese Rolle übernommen hat, muss sich als Mutter oder Vater verhalten, also seine Verantwortung gegenüber dem Kind wahrnehmen.
    Pflichten
    Als Angestellte eines Unternehmens haben wir in der Regel einen Vorgesetzten. Dieser hat Rechte, die wir nicht haben, wir haben Pflichten, die dieser nicht hat. Vorgesetzte nehmen eine Verantwortung wahr, die asymmetrisch ist. Die Weisungsunterstellten haben nicht die gleiche Verantwortung. Entsprechend ist der Bereich dessen, was wir dürfen, in unterschiedlichen Rollen unterschiedlich abgesteckt. Die Rollen die wir wahrnehmen, als Lehrer, als Eltern, als Schüler, als Vorgesetzte, als Mitarbeiter etc., stecken in unterschiedlicher Weise den Bereich autonomer Praxis ab.
    Damit sind wir beim dritten Grund dafür, dass wir nicht alles dürfen, was wir wollen. Der erste Grund ergab sich aus unserem eigenen Interesse, der zweite aus dem Interesse anderer. Wir haben diesen zweiten Grund zum Prinzip der Autonomie erweitert. Der dritte Grund ergibt sich aus den sozialen Rollen, die wir spielen. Diese einzelnen Rollen sind durch Regeln definiert, denen wir zu folgen haben. Die soziale Rolle der Lehrerin ist eine andere als die des Schülers. Diese Rolle beinhaltet bestimmte Verpflichtungen, zum Beispiel die, den Kindern einen bestimmten Lernstoff zu vermitteln, diese anzuleiten und das eigene Erkennen zu fördern. Zu dieser Rolle gehört aber auch die Pflicht, pünktlich zum Unterricht zu erscheinen. Eine Pflicht, die auch die Schüler haben. Aber die Schüler haben nicht die Pflicht, der Lehrerin Erkenntnisse zu vermitteln, auch wenn sie dies auch oft genug tun. Eltern haben Pflichten gegenüber ihren eigenen Kindern. Sie haben nicht die gleichen Pflichten gegenüber den Kindern anderer.
    Gegenwärtig erfährt die Tugendethik eine Renaissance. Unter » Tugendethik« versteht man eine Art von Moraltheorie, wie sie in der Antike besonders prominent Aristoteles entwickelt hat. Radikale Tugendethiker sehen die sozialen Rollen, die Erwartungen, die mit bestimmten Rollen, die wir einnehmen, verbunden sind, als Grundlage aller Moral. Da diese Rollen kulturell verfasst sind, scheint die Tugendethik eng mit dem Relativismus verbunden zu sein, der Auffassung also, dass alle moralischen Normen relativ sind und von der Kultur, in der man sich befindet, abhängen. Dieser Relativismus der Tugendethik ist jedoch nicht unwidersprochen geblieben.
    Martha Nussbaum ist die vielleicht prominenteste Objektivistin unter den Tugendethikerinnen. Sie interpretiert Aristoteles so, dass er auf der Grundlage eines Menschenbildes, einer Anthropologie, Tugenden erörtert, die das gelungene Leben ausmachen, und zwar weitgehend unabhängig von den Spezifika der jeweiligen Kultur. Auch wenn in der Ethik darüber gestritten wird, ob Tugenden allgemein menschlich sind, ob sie auf gemeinsamen menschlichen Grunderfahrungen beruhen oder jeweils die Spezifika einer Kultur zum Ausdruck bringen, werden wir nicht bezweifeln können, dass soziale Rollen mit bestimmten Erwartungen verbunden sind, die mit Pflichten korrespondieren.
    »Ich habe einmal meiner Oma gesagt, dass ich zu ihr gehe, und dann hatte ich plötzlich keine Lust mehr. Aber dann bekam ich irgendwie so ein schlechtes Gefühl …«
    Verpflichtungen
    Manche unserer Pflichten ergeben sich nicht aus sozialen Rollen, die wir einnehmen, sondern aus Verpflichtungen, die wir eingegangen sind. Wenn ich versprochen habe, morgen um

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