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Der Sokrates-Club

Der Sokrates-Club

Titel: Der Sokrates-Club Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nathalie Weidenfeld , Julian Nida-Ruemelin
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sechzehn Uhr einen Freund abzuholen, dann habe ich die Verpflichtung, pünktlich um sechzehn Uhr dort zu sein. Ohne mein Versprechen vom Vortag wäre ich dazu nicht verpflichtet. Ein Gutteil des gesellschaftlichen Lebens beruht darauf, dass sich Menschen gegenüber anderen Menschen verpflichten, damit wird ihr Verhalten, im günstigen Fall, einschätzbar. Und es entstehen in vielen Fällen dauerhafte Kooperationsbeziehungen. Versprechen ist nur eine Form der Verpflichtung. A verspricht B setzt nicht voraus, dass sich B in irgendeiner Weise zu etwas verpflichtet. Anders ist dies bei Vereinbarungen. Vereinbarungen verpflichten beide Partner. Wenn diese wechselseitige Verpflichtung eine gewisse Form hat, handelt es sich um Verträge. Wir sind zur Einhaltung unserer Versprechen und Vereinbarungen verpflichtet, unabhängig davon, welche Sanktionen und ob überhaupt Sanktionen drohen. In manchen Verträgen werden Konventionalstrafen festgelegt, das heißt Strafen, die demjenigen auferlegt werden, der den Vertrag bricht. Es mag sein, dass in der ökonomischen Praxis die Nachteile der Konventionalstrafe im Einzelfall abgewogen werden gegen die Vorteile eines Vertragsbruchs. Generell aber gilt, dass Verträge, Vereinbarungen und Versprechen unabhängig von den zu erwartenden Strafen oder Sanktionen verpflichten. Eine Vereinbarung ist eine Festlegung, sie ist mit bestimmten Erwartungen der Person verbunden, gegenüber der ich diese Vereinbarung eingegangen bin. Menschen, die sich an ihre Versprechen und Vereinbarungen nicht halten, gelten als unzuverlässig, wenig vertrauenswürdig, sie haben am Ende Probleme, stabile Sozialbeziehungen aufrechtzuerhalten. Man spricht von Soziopathen, wenn Personen andere lediglich als Instrument der eigenen Wunscherfüllung behandeln. Soziopathen haben keine Mitleidsgefühle und kein schlechtes Gewissen, sie optimieren, wenn hinreichend intelligent, ihre eigenen Interessen immer dann zulasten von anderen, wenn ihnen das vorteilhaft erscheint. Soziopathen haben aber das Problem, dass sobald dieses Verhaltensmuster transparent wird, es schwierig wird, Menschen zu finden, die sich in dieser Weise instrumentalisieren lassen. Die typische Biografie von Soziopathen ist daher durch einen beständigen Wechsel der Sozialpartner, der Bindungen, der Orte geprägt.
    Resümieren wir: Wir dürfen nicht alles, was wir wollen, weil
dem oft unser eigenes Interesse im Wege steht,
dem oft Interessen anderer entgegenstehen,
wir die individuelle menschliche Würde nicht verletzen dürfen, die Autonomie anderer respektieren sollen,
wir Pflichten haben, die mit sozialen Rollen einhergehen,
wir Verpflichtungen, also Versprechen, Vereinbarungen, Verträge, eingegangen sind.
    »Das geht doch nicht. Die Fenster gehören doch jemandem, und das, was einem anderen gehört, kann ich nicht einfach so kaputtmachen.«
    Prinzipien-Ethik
    In der ethischen Literatur spielen Prinzipien eine zentrale Rolle, um zu bestimmen, was moralisch zulässig oder unzulässig ist. Zwei große Traditionen der modernen Ethik, der bereits erwähnte Utilitarismus und der Kantianismus, ein ethischer Ansatz, der auf Immanuel Kant zurückgeht, sind Prinzipien-Ethiken. Diese formulieren ein Prinzip, aus dem sich– vermeintlich– alle moralischen Pflichten und Verpflichtungen, Rechte etc. ableiten lassen. Für den Utilitarismus ist das Prinzip, die Summe des individuellen Nutzens zu maximieren. Eine Handlung ist richtig, wenn sie im Vergleich zu allen anderen offenstehenden Handlungen die beste Lust-Leid-Bilanz unter Menschen oder, wenn Tiere einbezogen werden, in der Welt generell herbeiführt. Eine Handlung ist unzulässig, wenn dies nicht der Fall ist. Eine Handlung ist erlaubt, wenn es mehrere Handlungen gibt, die gleichermaßen die Nutzensumme im Universum maximieren, und man eine von diesen auswählt. Wenn ich zehn Freunde zum Essen einlade, bereite ich– so wollen wir annehmen– diesen zehn Personen eine Freude, mir vermutlich auch. Wenn ich die gleiche Zeit und die gleichen Kosten für Hungerhilfe über » Brot für die Welt« einsetze, ist anzunehmen, dass damit mehr Leid minimiert wird, die Nutzenbilanz also deutlich besser ausfällt.
    Dies utilitaristische Prinzip gerät allerdings mit vielen moralischen Überzeugungen, die wir alle teilen, in Konflikt. Niemand von uns würde es etwa befürworten, eine unschuldige Person zur Abschreckung zum Tode zu verurteilen, wenn diese Handlung besonders effektiv im Sinne der Prävention von

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