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Der Sommer, als ich schön wurde

Der Sommer, als ich schön wurde

Titel: Der Sommer, als ich schön wurde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny Han
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da. Immer schon bist du für mich da gewesen. Ich … ich kann auf dich zählen. Und du auf mich. Das weißt du.«
    Ich nickte. Ich hörte seine Stimme, ich sah seine Mundbewegungen, aber mein Gehirn arbeitete mit rasender Geschwindigkeit. Das hier war Jeremiah. Mein Kumpel, mein bester Freund. Quasi mein Bruder. Es war alles so überwältigend, dass ich kaum Luft bekam. Ich konnte ihn fast nicht ansehen. Denn für mich war es anders. Ich sah ihn nicht auf die Weise. Für mich gab es nur einen Menschen. Und das war Conrad.
    »Ich weiß, dass du immer eine Schwäche für Conrad hattest, aber darüber bist du jetzt weg, stimmt’s?« Sein Blick war so hoffnungsvoll, dass es mich fast umbrachte. Dass es mich fast umbrachte, ihm nicht die Antwort geben zu können, die er hören wollte.
    »Ich … ich weiß nicht«, flüsterte ich.
    Jeremiah sog scharf die Luft ein, so wie es seine Art war, wenn er frustriert war. »Aber wieso? Er sieht dich nicht so. Ich schon.«
    Mir traten die Tränen in die Augen, und das war nicht fair. Ich durfte jetzt nicht weinen. Es war nur so, dass Jeremiah ja recht hatte. Conrad sah mich nicht so. Ich wünschte bloß, ich könnte Jeremiah so sehen, wie er mich sah. »Ich weiß. Ich wünschte, es wäre anders. Aber ich mag ihn. Immer noch.«
    Jeremiah rückte von mir ab. Er vermied es, mich anzusehen, seine Augen sahen überall hin, nur nicht in meine. »Am Ende wird er dir nur wehtun«, sagte er mit brüchiger Stimme.
    »Es tut mir so furchtbar leid. Bitte sei nicht sauer. Ich könnte es nicht ertragen.«
    Er seufzte. »Ich bin nicht sauer. Ich bin nur – wieso muss es immer Conrad sein?«
    Damit stand er auf und ließ mich allein unten sitzen.

41
    mit zwölf
    Mr. Fisher war mit den Jungs zu einem ihrer nächtlichen Tiefseeangelausflüge aufgebrochen. Jeremiah konnte nicht mit, weil er sich morgens krank gefühlt hatte und Susannah wollte, dass er zu Hause blieb. Wir zwei verbrachten also den Abend auf der alten karierten Couch im Souterrain, aßen Chips mit Dip und sahen uns Filme an.
    Zwischen Terminator und Terminator 2 sagte Jeremiah voller Bitterkeit: »Er mag Con nämlich lieber als mich.«
    Ich war aufgestanden, um die neue DVD einzulegen, und drehte mich um. »Wie bitte?«
    »Doch, das stimmt. Ist mir aber auch egal. Der ist sowieso ein Idiot.« Jeremiah zupfte an einem Faden, der aus der Flanelldecke auf seinem Schoß ragte.
    Ich fand ja auch, dass er so eine Art Idiot war, aber das sagte ich nicht. Man soll sich ja nicht dranhängen, wenn jemand seinen Vater schlechtmacht. Also legte ich nur die DVD ein und setzte mich wieder. Ich griff nach einem Zipfel der Decke und sagte: »So schlimm find ich ihn nun auch nicht.«
    Jeremiah warf mir einen abschätzigen Blick zu. »Und ob. Das weißt du auch. Aber Con hält ihn für eine Art Gott. Und dein Bruder genauso.«
    »Das liegt nur daran, dass dein Vater so völlig anders ist als unserer«, sagte ich entschieden. »Dein Vater geht mit euch fischen oder, was weiß ich, spielt Fußball mit euch. Unser Dad macht solche Sachen nicht. Der will bloß Schach spielen.«
    Jeremiah zuckte mit den Achseln. »Ich spiel gerne Schach.«
    Das hatte ich bis dahin nicht gewusst. Mir gefiel das Spiel auch. Mein Dad hatte es mir beigebracht, als ich sieben war, und ich war nicht schlecht darin. Aber ich war nie in der Schach-AG meiner Schule, obwohl ich eigentlich durchaus Lust gehabt hätte. Die Schach-AG war was für Nasebohrer. So nannte Taylor diese Leute.
    »Und Conrad mag Schach auch«, sagte Jeremiah. »Aber er versucht eben, so zu werden, wie Dad ihn haben will. Dabei glaube ich nicht mal, dass er Football mag, jedenfalls nicht so wie ich.«
    Was sollte ich dazu sagen – Conrad war nun mal wirklich in allem gut. Ich krallte mir eine Handvoll Chips und stopfte sie mir in den Mund. So musste ich wenigstens nichts sagen.
    »Eines Tages bin ich besser als er«, sagte Jeremiah.
    Davon war ich allerdings nicht so überzeugt. Conrad war einfach unglaublich gut.
    »Ich weiß, dass du Conrad toll findest«, sagte Jeremiah auf einmal.
    Ich schluckte meine Chips hinunter. Plötzlich schmeckten sie wie Kaninchenfutter. »Quatsch«, sagte ich. »Ich finde Conrad nicht toll.«
    »O doch«, sagte Jeremiah mit einem so klugen, wissenden Blick. »Sag die Wahrheit. Keine Geheimnisse, weißt du das nicht mehr?« Keine Geheimnisse – das war schon seit ewigen Zeiten so ein Spruch zwischen Jeremiah und mir. Das war Tradition, genauso wie die Tatsache, dass Jeremiah

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