Der Sommer auf Usedom
der Zeitung. Habe ich dir vorgelesen. Hörst du mir nicht zu?«
Jasmin ging nicht darauf ein. »Das bedeutet, die sind noch nicht durch mit der Insel. Wer weiß, vielleicht haben die eine Liste mit Kunstgegenständen, die sie haben wollen, und hören erst auf, wenn die erledigt ist.«
»Ein furchtbarer Gedanke! Dann können wir nur hoffen, dass sie von uns nur das eine Bild haben wollen, das sie mitgehen lassen haben. Sonst kommen sie womöglich noch mal wieder.« Der Museumsfrau war anzusehen, dass sie den Schreck des Einbruchs noch nicht überwunden hatte.
»Sofern deine Theorie stimmt«, entgegnete Gabi, »wären die jetzt unter Umständen noch dabei, die Orte auszuspionieren, die sie gerne um ein paar Kostbarkeiten erleichtern würden.«
»Könnte doch sein.«
»Schrecklich! Allein die Vorstellung, dass sich solches Gaunervolk auf unserer Insel herumtreibt …« Die Dame beendete den Satz nicht, sondern schüttelte stattdessen den Kopf, als wolle sie diese Idee aus ihrem Hirn verbannen.
Als sie aus dem Museum traten, hatte es sich zugezogen. Bedrohlich düstere Wolken hingen tief am Himmel, und es war schrecklich schwül. Die Luft flirrte geradezu, wie sie es sonst eher an Hochsommertagen des Juli oder August tat.
»Nicht gerade Strandwetter«, kommentierte Gabi. »Lust auf Shopping?«
»Klar, das gehört doch dazu im Urlaub.«
Sie gingen auf der Seestraße Richtung Wasser und bummelten durch alle Boutiquen und Läden, die auf ihrem Weg lagen. Draußen begann es zu grummeln. In der Ferne ging anscheinend einGewitter nieder. Als sie gerade eine Boutique verließen, in der sie darüber gestaunt hatten, dass die Verkäuferin in der Lage war, auf Schuhen mit mindestens zehn Zentimeter hohen Absätzen zu laufen, die vorne so spitz zuliefen, dass die Zehen eigentlich nur hintereinander hineinpassen konnten, kam Sturm auf.
»Ich glaube, es wird Zeit, dass wir irgendwo einkehren. Es könnte gleich ziemlich ungemütlich werden«, rief Gabi Jasmin zu.
»Gute Idee!«
Sie erreichten die Terrasse eines Restaurants im Laufschritt und schlüpften gerade noch rechtzeitig unter die Markise, bevor ein Platzregen niederging.
»Da haben wir wirklich Glück gehabt«, brachte Jasmin lachend hervor.
Sie ließen sich auf den Korbstühlen nieder und hörten dem Trommeln des Regens zu. Alles schien plötzlich intensiver zu duften. Die Heckenrose und die Schmetterlingsblüten einer Wicke im Garten nebenan ebenso wie der Kaffee und die frisch gebackenen Waffeln, die mit heißen Kirschen, Eis und Sahne angeboten wurden. Auf der anderen Straßenseite war eine Frau auf die Loggia im dritten Stock getreten. Sie schien ihren überdachten Balkon zu betrachten, verschwand nach drinnen und kehrte gleich darauf mit einem Eimer und einer Bürste zurück.
»Na, die scheint der Guss ja angeregt zu haben«, stellte Gabi fest und beobachtete, was sich drüben im dritten Stock abspielte. Es dauerte nicht lange, da trat eine Frau aus dem Haus, spannte den Schirm auf und versuchte nach oben zu blicken, was nicht einfach war, wenn sie etwas sehen wollte, ohne dicke Regentropfen in die Augen zu bekommen. Die Frau mit dem Schirm verzog missbilligend das Gesicht, ging hin und her. Die putzende Hausbewohnerin war hinter der gemauerten Balkonbrüstung verschwunden. Ein kräftiger Strahl Seifenwasser, der aus einem Ablauf auf den Bürgersteig vor dem Hauseingang klatschte, ließ vermuten, dass sie in ihrem Versteck fleißig schrubbte. Nun trat ein Mann aus dem Haus, ebenfalls mit einem Schirm bewaffnet,den er sofort aufspannte. Auch er betrachtete das Blasen werfende Wasser und schien untersuchen zu wollen, woher es kam.
»So eine Sauerei!«, schimpfte er.
»Was soll denn an Seife eine Sauerei sein?«, fragte Jasmin verständnislos.
»Zumal sie doch sofort vom Regen weggespült wird. Wahrscheinlich hat die da oben die Gelegenheit genutzt, um ihren Balkon zu putzen, ohne jemanden zu belästigen.« Gabi rollte mit den Augen, nahm ihre Brille ab und rieb die Gläser, die ein paar Tropfen abbekommen hatten, an ihrer Hose trocken. »Das ist typisch kleinbürgerlich. So etwas würde dir in Berlin nicht passieren.«
»Da würde ich nicht wetten«, gab Jasmin zurück.
Gegenüber öffnete sich die Tür, und ein weiterer Hausbewohner trat ins Freie. Er trug ein durchsichtiges Regencape und gesellte sich zu den beiden mit ihren Schirmen.
»Muss denn so etwas sein?«, hörten die beiden Freundinnen. »Alles nass hier, weil die da oben mal wieder mit so
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