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Der Sommer der Frauen

Der Sommer der Frauen

Titel: Der Sommer der Frauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mia March
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«Ich rufe Alexa an, dann melde ich mich wieder. Such weiter. Vor allem in kleinen Verstecken. Wenn du sie, bis ich wieder anrufe, nicht gefunden hast, rufe ich die Polizei.»
    Isabel schloss die Augen. Ihr zog sich der Magen zusammen. Sie schob das Telefon in die Tasche und suchte panisch weiter, in der Pension, im Garten, vor dem Haus. Sie rief nach Emmy und sah in allen möglichen und unmöglichen Ecken nach. Nichts. Nichts. Nichts.
    Fünf Minuten später klingelte ihr Telefon. Griffin. «Ich habe Alexa. Sie hat Emmy im Garten gelassen und ist abgehauen. Sie ist jetzt bei mir im Auto. Wir sind in einer Minute da.»
    Isabel hörte Alexa im Hintergrund weinen. «Es tut mir leid, Dad. Ich dachte, Isabel kommt gleich wieder, und da bin ich gegangen.»
    Ich
bin
gleich wiedergekommen
, dachte Isabel wie betäubt.
Ich war nur ein paar Minuten weg.
    Nur ein paar Minuten. In einem einzigen Augenblick kann sich alles verändern.
    Ein einziger Augenblick kann alles verändern.
    «Emmy!», schrie Isabel so laut sie konnte. «Emmy!»
    Sie lauschte angestrengt. Aber sie hörte nur die üblichen Sommergeräusche. Und ihren eigenen rasenden Herzschlag.
    Emmy, wo bist du?
    *****
    Die Polizei war gerade eingetroffen, zeitgleich mit June, die Pearl in ihrer Panik angerufen hatte, als Isabel Happy bellen hörte. Happy bellte sonst nie. Isabel folgte Griffin in den Nachbargarten. Es gab eine schmale Lücke zwischen dem Zaun und den immergrünen Büschen. Happy wälzte sich vor der Hundehütte der Walshs auf dem Rücken. Direkt vor ihm, halb in der Hütte und halb schlafend, lag Elvis, der alte nachbarliche Labrador.
    «Happy!» Griffin eilte zu ihm. «Hier, hilf uns Emmy zu finden!» Er hielt Happy einen kleinen Pullover vor die Schnauze, und Happy fing wie wild an zu bellen. «Happy! Such Emmy, such!»
    Aber Happy rührte sich nicht vom Fleck, bellte einfach nur weiter und fing dann an, vor Elvis’ Hundehütte im Kreis zu laufen. Elvis betrachtete aus schläfrigen Augen das Spektakel, ohne sich zu rühren.
    «Griffin!», sagte Isabel, «es tut mir so leid! Ich –»
    Ach Isabel, du hast nun wirklich keinen Mutterinstinkt
, hatte Edward mehr als einmal zu ihr gesagt.
    «Es tut mir so leid!», wiederholte sie mit gebrochener Stimme.
    Alexa starrte auf ihre Füße. Sie hatte Isabel noch nicht angesehen, seit sie mit Griffin zurückgekommen war.
    Griffin ließ sich auf alle viere nieder und spähte in die Hundehütte. «Da ist sie ja! Sie schläft tief und fest. Na komm, Elvis, komm her, lass mich mein kleines Mädchen holen, ja?» Der Hund machte keinerlei Anstalten, sich zu bewegen. Erst als sein Herrchen mit einem Hundekeks kam, gelang es ihnen, den Labrador aus der Hütte zu locken, und Griffin zog Emmy sachte am Arm.
    «Daddy?», ertönte ein schläfriges Stimmchen.
    Griffin nahm seine Tochter auf den Arm. Er sah Isabel an, in seinem Blick eine Mischung aus Wut, Enttäuschung und Erleichterung. Aber hauptsächlich Wut, dachte sie. «Ab nach Hause! Sofort!», sagte er zu Alexa. Ohne ein einziges Wort zu Isabel und ohne sich noch einmal umzusehen, ging Griffin am Haus entlang nach vorne auf die Straße, wo sein Wagen parkte.

[zur Inhaltsübersicht]
      14. June
    A m Donnerstag wurde June in aller Frühe vom Geschrei der Möwen geweckt, doch der rosarote Sonnenaufgang über der Bucht war Entschädigung genug. Sie trat auf den Balkon und atmete die salzige Luft ein, den Duft von Blumen und frisch gemähtem Gras, und die Kombination von all dem ließ sie an Henry denken. Sie hatte sich die ganze letzte Woche lang danach gesehnt, mit ihm zu sprechen, doch das, was momentan in ihrem Inneren tobte, hatte mit einem anderen Mann zu tun, und deshalb hatte sie ihn gemieden. Und weil Henry nun mal Henry war, verständnisvoll und wunderbar, hatte er sie in Ruhe gelassen.
    Sie ließ den Blick über den Hafen schweifen. Die Fischer waren bereits auf dem Wasser.
Vielleicht heute
, dachte June. Es war inzwischen genau eine Woche vergangen, seit sie den Smiths ihre Nachricht hinterlassen hatte, kurz und schlicht: Sie sei eine alte Freundin von John und hätte gerne seine Telefonnummer. Seitdem war sie jeden Morgen aufgewacht und hatte sich mit der Gewissheit nach draußen auf diesen Balkon gesetzt, dass dies der Tag wäre, an dem Johns Eltern sich melden würden.
    Inzwischen war sie sich allerdings nicht mehr so sicher. Hätten sie zurückrufen wollen, dann hätten sie es längst getan. Die Einzige, die jeden Tag anrief, war Marley, die sich nach

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