Der Sommer der Frauen
nur zwei Minuten waren.»
«Alexa ist vierzehn, Isabel!», sagte Kat. «Ich will wirklich nicht hetzen. Doch, eigentlich schon. Das was du getan hast, hätte jeder getan – eine Vierzehnjährige bitten, kurz auf ihre Schwester aufzupassen, während man ins Haus geht, um was zu trinken zu holen. Auch Griffin. Es war nicht deine Schuld.»
«Und wieso fühle ich mich dann so fürchterlich beschissen? Wieso hat Griffin mich immer noch nicht zurückgerufen?»
June konnte Griffins Verhalten zwar verstehen, aber sie würde ihm trotzdem nur noch einen Tag geben, um darüber hinwegzukommen. Es tat ihr weh, mitanzusehen, wie sehr sein Schweigen Isabel verletzte – schließlich war gestern deutlich geworden, wie sehr die Situation sie mitgenommen hatte.
Lolly setzte sich mühsam auf. «June hat recht. Er hat sich zu Tode erschreckt, als Emmy verschwunden war. Aber der Mensch, auf den er die größte Wut hat, ist wahrscheinlich er selbst, Isabel. Wenn sich das wieder gelegt hat, wird er dich anrufen.»
Isabel nahm sich auch eine Handvoll Popcorn. Noch ein gutes Zeichen, dachte June. «Hoffentlich.»
Lolly drückte auf Start. «Ich finde, June hat uns für heute Abend einen sehr guten Film ausgesucht.»
«Wie jung Meryl ist!», kommentierte June die Szene, in der Meryl Streep Dustin Hoffman eröffnet, dass sie ihn und ihren Sohn verlassen würde. «Aus welchem Jahr stammt der Film? Irgendwas in den Siebzigern?»
Lolly knipste die Nachttischlampe an und studierte die DVD -Hülle. « 1979 .»
«Dafür hat sie doch einen Oscar bekommen, oder?», fragte June.
Lolly nickte. «Dafür und für
Sophies Entscheidung
und für
Die Eiserne Lady
.»
«Wow! Ich kann gut verstehen, weshalb sie die Nase voll hat!», sagte June. «Aber deshalb ihr eigenes Kind im Stich zu lassen? Das würde ich niemals fertigbringen.»
Kat nahm sich eine Handvoll Popcorn. «Erstaunlich, wie Meryl Streep es in der Rolle hinbekommt, dass sie einem trotzdem sympathisch ist. Ich finde, das ist eine ihrer ganz großen Stärken.»
Lolly stimmte ihr zu. «Deshalb kann ich mir ihre Filme ja auch immer wieder ansehen. Dabei war sie noch so jung, als sie diesen hier gedreht hat.»
Langsam kamen sie alle vier zur Ruhe und sahen Dustin Hoffman dabei zu, wie er sich langsam, aber sicher vom egoistischen Arbeitstier in jemanden verwandelt, der anfängt, in seinem kleinen Sohn einen echten Menschen zu sehen, der auf ihn angewiesen ist, ihn wirklich und wahrhaftig braucht.
«Dustin Hoffman ist auch toll», sagte June. «Man sieht ihm die innere Entwicklung richtig an – wie er langsam erkennt, dass sein Kind wichtiger ist, als es irgendein Projekt jemals sein könnte.»
Lolly nahm sich auch etwas Popcorn. «Und wie brutal diese Werbewelt ist – oder damals war. Der Rauswurf durch seinen Chef wird ihm beweisen, dass sich in dieser Welt niemand wirklich für den anderen interessiert.»
«Wow! Meryl Streep kommt nach fünfzehn Monaten zurück?» Isabel konnte es nicht fassen. «Nach so viel Zeit will sie auf einmal ihren Sohn wiederhaben?»
June schüttelte den Kopf. «Ich kann mir nicht mal einen einzigen Tag vorstellen, ohne Charlie in den Arm zu nehmen und ihm zu sagen, wie lieb ich ihn habe.»
«Dieser Krieg ums Sorgerecht ist echt unfassbar!», rief Kat. «Die Anwälte und Richter waren doch gar nicht dabei! Sie haben keine Ahnung, was passiert ist und wie es passiert ist. Der Unfall auf dem Spielplatz, zum Beispiel.»
«Aber Meryl weiß es», sagte Isabel. «Weil sie Dustin Hoffman kennt und ihren Sohn auch.»
June nickte. «O Gott. Ich wusste ja, was kommt, aber ich kann trotzdem nicht fassen, dass sie das Sorgerecht bekommt. Er liebt seinen Sohn so sehr. Er hat ihn gerade erst gefunden, wirklich entdeckt, meine ich, ist eben erst Vater im wahrsten Sinne des Wortes geworden, und jetzt wird ihm das Kind weggenommen.»
Lolly tupfte sich die Tränen weg. «Ich liebe diese Stelle. Meryl kommt, um ihren Sohn abzuholen, und dann sieht sie doch ein, dass sein Zuhause bei seinem Vater ist.»
«Wenigstens sind das zur Abwechslung mal Freudentränen», sagte Isabel und fuhr sich mit den Händen über das Gesicht. «Hilfe, war das anrührend!»
«Ruf Griffin noch mal an», sagte Kat. «Sprich ihm auf die Mailbox. Sag ihm, dass du verstehst, weshalb er dich nicht zurückruft, und du möchtest, dass er das weiß.»
Isabel schüttelte den Kopf. «Ich habe es dreimal probiert. Er hat kein einziges Mal zurückgerufen. Davor haben wir jeden Abend
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