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Der Sommer der Frauen

Der Sommer der Frauen

Titel: Der Sommer der Frauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mia March
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vielleicht doch ein Paar werden, überkam sie dasselbe seltsame Gefühl wie immer schon. Es gelang Kat nicht, es zu benennen.
    «Ich weiß, wie ambivalent deine Gefühle für Oliver sind», sagte Lizzie. «Aber er ist echt ein Schatz, Kat. Bitte lass ihn dir nicht durch die Lappen gehen, nur weil du Angst hast.»
    «Ich habe keine Angst», widersprach Kat. «Ich kenne Oliver schon mein ganzes Leben lang. Ich habe doch keine Angst vor ihm!»
    Oder doch? Sie erinnerte sich immer noch an diesen einen Augenblick, damals mit dreizehn, als zwischen ihnen alles anders wurde. Eben noch war er der vertraute, schlaksige Oliver gewesen, Oliver mit den sandbraunen Haaren, den dunkelblauen Augen und den Sommersprossen, und im nächsten Augenblick ertappte sie sich dabei, wie sie ihn anstarrte. Anders. Darüber nachdachte, wie es wäre, ihn zu küssen. Diese neuen Gefühle für ihn waren das einzige Geheimnis, das Kat jemals vor Oliver gehabt hatte, und sie war darüber gleichzeitig erfreut und entsetzt. Auf einer der ersten Partys damals, an einem Freitagabend, spielten sie Flaschendrehen. Als Oliver dran war, zeigte der Flaschenhals genau auf Kat. Sie erinnerte sich an die Hitze, die ihr durch den Körper geschossen war, sie musste knallrot angelaufen sein. Sie wünschte sich nichts auf der ganzen Welt so sehr, wie Oliver Tate zu küssen.
    Doch gleichzeitig hatte sie dieses seltsame Gefühl gepackt, und sie hatte gerufen: «Ich kann dich doch nicht küssen, Oliver! Du bist mein bester Freund!»
    Sie hatte gemerkt, wie er sie beobachtet hatte. Abgewartet, wie sie reagieren würde. Und weil sie Oliver nun mal so gut kannte wie sich selbst, hatte sie auch die Enttäuschung gesehen, die blitzschnell über sein Gesicht gehuscht war. Sie hatte ihm praktisch vor der ganzen Klasse ins Gesicht gesagt, dass sie
nur Freunde
waren. Dass sie ihn nicht küssen wollte. Und Veronica Miller mit der langen roten Mähne und den wunderschönen grünen Augen hatte «Dann mache ich’s für sie» gekräht und Olivers Gesicht gepackt. Veronica, die so vieles hatte, um das Kat sie beneidete, Mut, zum Beispiel, und ein B-Körbchen, war nur die erste von vielen Freundinnen gewesen, die Oliver von da an während der gesamten Schulzeit und auf dem College hatte, und Kat musste sich nie wieder darum sorgen, ihn küssen zu müssen. Oliver Tate zu küssen war nie wieder Thema gewesen.
    Bis vor sechs Monaten.
    Als sie an einem kalten, verschneiten Februarvormittag über die Townsend Avenue zu Olivers Häuschen gelaufen waren und er mitten auf der Straße stehen geblieben war, ihr fest in die Augen geblickt und «Ich liebe dich so sehr» gesagt hatte. Kat hatte gelacht und geantwortet: «Ich finde, du bist auch eine ziemliche Zuckerschnecke», einer der Lieblingssprüche ihrer Mutter. Doch Oliver war ernst geblieben: «Nein, Kat. Ich meine, ich liebe dich.
Ich liebe dich, Kat.
» Er hatte es aus vollem Halse herausgerufen, und sämtliche Leute hatten sich zu ihnen umgedreht. Zwei Mädchen im Teenageralter hatten kichernd Beifall geklatscht. Er hatte ihr Gesicht zwischen seine Handschuhe genommen und gesagt: «Ich liebe dich. Ich habe dich immer geliebt.»
    Und Kats Reaktion? Besagtes seltsames Gefühl stieg von ihren Zehen auf und bahnte sich einen Weg durch jeden einzelnen Nerv in ihrem Körper, bis sie schließlich einen Schritt zurücktrat und stumm auf ihre Füße sah, unfähig, auch nur ein einziges Wort zu sagen.
    «Ich weiß. Ich habe es nicht vergessen. Du kannst mich nicht küssen. Weil wir beste Freunde sind.» In seinen dunkelblauen Augen lag Zärtlichkeit und noch etwas anderes, etwas Neues, ein Ausdruck, den sie noch nie in seinem Gesicht gesehen hatte. «Aber ich meine es ernst, Kat. Ich habe dich schon immer geliebt. Kannst du wirklich hier stehen und mir erzählen, wir würden nicht zusammengehören?»
    «Ich weiß es nicht», hatte sie geantwortet. Manchmal dachte sie, sie wüsste es. Dann wieder kam ihr der Gedanke, irgendwo da draußen gäbe es einen Mann, dem sie nur deshalb nie begegnet war, weil sie nie aus Boothbay Harbor rausgekommen war. Und in noch anderen Momenten dachte sie, wenn sie und Oliver Tate miteinander schliefen, würde sie wahrscheinlich explodieren.
    Lizzie sagte oft, dass sie dieses Gefühl nicht verstand. Explodieren? Was? Wie? Kats Cousinen würden es vielleicht verstehen. Wenn es irgendwen gab, der das verstehen konnte, dann Isabel und June. Aber mit denen konnte sie leider nicht reden, hatte sie noch nie gekonnt.
    Und

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