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Der Sommer der Gaukler

Der Sommer der Gaukler

Titel: Der Sommer der Gaukler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Hueltner
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Lippen. Er zwinkerte Paccoli zu und nickte.»Genau. Ein wildernder Hund ist es gewesen.«
    »Ein was?«
    Paccoli war normalerweise schnell von Begriff. Dieses Mal brauchte er ein wenig länger. Dann jedoch gab er Hassls Grinsen zurück. Ein Lachen gluckste aus seiner Kehle.
    »Ach ja. Richtig. Was denn sonst, nicht wahr?«

31
    G idi spürte keine Müdigkeit. Ein dunkler Zorn trieb ihn an. Mit weit ausholenden Schritten rannte er den Pfad zur Kogelscharte hinauf. Das kleine Bündel mit seinen Habseligkeiten baumelte um seinen Rücken. Im Saum seines abgeschabten Rocks klimperten die wenigen ersparten Münzen.
    Bis zur Dämmerung würde er es auf die andere Seite der Scharte geschafft haben.
    Das Licht würde gerade noch ausreichen, um über die felsige Traverse in das jenseitige Tal abzusteigen. Dann würde er sich in der Nähe der Grenzbrücke verstecken und die Nacht abwarten.
    Schon jetzt war nicht mehr zu befürchten, dass ihm der Gerichtsdiener folgte. Dessen behäbige Strategie bestand darin, so lange zu warten, bis sich der Gesuchte irgendwann wieder in der Nähe seiner alten Heimat sehen lassen würde, und seine Erfahrung hatte ihm in den meisten Fällen Recht gegeben. Nicht sentimentale Heimatliebe, sondern grauenhafte Not war es, die die meisten Ausreißer irgendwann wieder in die Nähe ihrer Familien trieb, wo sie in aller Seelenruhe aufgesammelt und dem Gericht übergeben werden konnten.
    Hinzu kam, dass es sich bei einem Knecht, der seinen Dienstherrn verprügelt hatte, um keinen mordsmäßigen Malefikanten handelte. Wurde man ihrer habhaft, hatten sie zwar empfindliche Strafen zu erwarten, die von Geldbuße, Frondienst bis zum mehrjährigen Ausschluss von allen öffentlichen Festlichkeitenreichten. Doch dafür wurde der staatliche Apparat nicht über Gebühr strapaziert, dafür scheuchte der Richter nicht seinen asthmatischen Gerichtsdiener ins Gebirge. War es nicht sogar ganz nützlich, wenn man die Störenfriede auf diese Weise loswurde?
    Nach der Prügelei mit Kolber hatte Gidi überlegt, wohin er fliehen konnte. Überrascht entdeckte er, dass sein Plan längst in seinem Hinterkopf gespeichert war: Das Umschleichen der Grenzbrücke, die Wanderung über die Höhen des Pongaus, die Überquerung der Tauern, anschließend strikt Richtung Süden – bis in Details war die Fluchtroute vorbereitet, in Gedanken abgeschritten und berechnet. Und in der Kraina würde er seinen Bruder in die Arme schließen. Daran, dass er ihn fände, zweifelte Gidi keine Sekunde.
    Was dann käme, wusste Gidi nicht. Während der Wanderung brauchte er erst einmal kaum Geld. Er würde von Waldfrüchten leben, dann und wann ein Kleintier erlegen und, wo es die Witterung erlaubte, im Freien übernachten. Anschließend konnte er sich bei Bauern als Tagelöhner verdingen. Er hatte keine Angst davor. Er war gesund und kräftig.
    Leicht würde dieses Leben aber nicht sein. Beim Kolber war seine tägliche Versorgung gesichert gewesen, und der braven Sali war es immer wieder gelungen, den Geiz des Wirts zu unterlaufen und Mägden und Knechten ordentliche Essensportionen zukommen zu lassen. Schon jetzt knurrte sein Magen.
    Aber jedes Leben würde schöner sein als das, was er bisher geführt hatte. Etwas war urplötzlich in ihm aufgebrochen, hatte ihn bis unter die Haarwurzeln erschauern lassen. Was hatte er bisher alles entbehren müssen, wie hatte er seine Seele zerrupfen und zerknüllen lassen, und wie tief hatte es sich in sein Gemüt geprägt, für nichts und niemand von Bedeutung zu sein! Um ihn hatte sich alles in Glanz und Farbe, in betörende Töne und Gerüche verwandelt, als hätte er bis jetzt nur in einer grauen und tauben Dämmerung dahinvegetiert. Während er den Pfad entlanglief, federnd und gleichmäßig wie ein trabendesPferd, durchpulste ihn noch immer eine närrische Freude. Er war frei.
    Er bog gerade um einen Felsvorsprung, als ihn eine Bewegung über ihm stocken ließ. Im selben Augenblick hörte er Stimmen über sich und, Sekunden später, knirschendes Geröll unter den Tritten klobiger Stiefel.
    Machte der Richter doch bereits Jagd auf ihn? Hatte der rachsüchtige Wirt ein paar Burschen gedungen, ihn zu fangen? Mit einem Satz sprang Gidi zur Seite, robbte den steilen Hang hinauf und kauerte sich hinter einer ausladenden Kiefer auf den Boden.
    Zwei Amtsjäger, hechelnde, kurz aufknurrende Hunde an den Leinen, stapften schweigend unter ihm in die Tiefe. Gidi wollte schon sein Versteck wieder verlassen, als er wieder

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