Der Sommer der Lady Jane (German Edition)
hell im Licht des fast ganz gerundeten Mondes. Als sie sich umdrehte, hatte sie sich erfolgreich mit dem Stoff abgemüht und stand im schultertiefen Wasser – so prüde und zimperlich wie eine Nonne im Kloster.
Byrne kam langsam näher. Sie wich nicht zurück. Als er nur noch eine Armlänge entfernt war, hob sie die Hand.
»Das ist nahe genug«, sagte sie leise.
»In der Tat«, erwiderte er. Er war jetzt dicht genug bei ihr, um sie verstehen zu können. Und würde er sich ihr noch weiter nähern, würde ihn das vermutlich dazu verlocken, ihr den wahren Grund zu sagen, warum er gekommen war.
Noch bevor er etwas sagen konnte, ergriff Jane das Wort.
»Wie kommst du darauf, dass du aus meinen Haus ausgesperrt wirst?«
Er zuckte mit den Schultern. »Dein Bruder mag mich nicht. Und man könnte zu verhindern versuchen, dass du den berüchtigten Straßenräuber in deinem Salon empfängst.«
»Das ist albern«, erwiderte sie und fing wieder an, durch das Wasser zu waten. Er bewegte sich in einem kleinen Kreis um sie herum, sie bewegte sich in einem Kreis um ihn herum. Tanzte mit ihm im Wasser.
»So albern es auch scheinen mag … es gibt wohl ungefähr hundert Dinge, die mich glauben lassen, in deinem Hause nicht willkommen zu sein.«
Jane stockte kurz, dann wisperte sie: »Byrne, du bist bei mir willkommen.«
Er behielt sie genau im Blick. »Aber …?«
»Aber wir haben ein halbes Dutzend Gäste, von denen ich die Hälfte noch nicht einmal genauer kenne. Ständig kommen Leute zu Besuch, und seit meine Mutter gestorben ist, benimmt mein Vater sich … ein wenig merkwürdig.«
Byrne glaubte für einen Moment, dass sie mehr über ihren Vater erzählen würde, zum Beispiel dass er einen Gentleman ohne Titel für seine Tochter missbilligen würde. Aber Jane zuckte nur die Schultern. »Vielleicht bin ich auch gar nicht so gern bei mir zu Hause«, sagte sie so leise, dass es klang, als würde sie es zu sich selbst sagen.
Er nickte ernst und kämpfte gegen den Impuls an, ihr Gesicht in seine Hände zu nehmen und sie an sich zu ziehen, um sie zu trösten. Statt diesem Wunsch nachzugeben, hielt er sich zurück. Er war sich viel zu sehr bewusst, was in ihr vorging.
»Ich konnte es auch nicht ertragen, in der Nähe meiner Familie zu sein«, sagte er leise und fuhr fort, als sie ihn neugierig anschaute. »Nachdem der Krieg zu Ende war. Nachdem mein Bein von der Kugel zerfetzt worden war.« Seine Direktheit ließ sie nicht zusammenzucken. Stattdessen umkreiste sie ihn weiterhin, genau wie er sie, tanzte weiterhin mit ihm und kam ihm dabei kaum merklich näher.
»Sie lieben mich, und sie haben mich umhätschelt und versucht, mich wieder heil und gesund zu machen«, fuhr er fort. »Aber ich konnte es nicht ertragen.«
»Warum nicht?«
»Weil ich nicht mehr zu ihnen gepasst habe. Meine Brüder Marcus und Graham waren so stinknormal, eben abgesehen davon, dass sie äußerst besorgt um mich waren. Sie hielten daran fest, mich wieder zu dem zu machen, der ich einst gewesen war. Ganz der Alte sollte ich wieder werden.«
»Das warst du aber nicht mehr«, schloss sie für ihn.
»Und daher war mein Zuhause nicht mehr mein Zuhause.«
»Was hast du getan?« Ihre Stimme war nicht mehr als ein Wispern knapp über dem Wasser.
»Ich habe die Flucht ergriffen, sobald ich dazu in der Lage war. Zuerst an Orte, an denen man sich für ein paar Münzen das Vergessen kaufen konnte. Ich habe alles dafür getan, mich selbst zu verlieren. Und als mir irgendwann das Geld und die Energie dazu fehlten, bin ich hierhergekommen.« Er schaute sie an. »Ich kann niemandem empfehlen, sich an jene Orte zu begeben, an denen ich gewesen bin. Und ich weiß, dass du dich im Moment gefangen fühlst, von deiner Familie und den Gästen … aber wenn du jemals die Flucht ergreifen musst, kannst du immer zu mir kommen.«
Sie nickte. Und ob es ihr bewusst war oder auch nicht, durch die Kreise, die sie gezogen hatten, war sie ihm letztlich noch näher gekommen. Wie leicht hätte Byrne die Hände ausstrecken und sie berühren können. Was er aber nicht tat. Noch nicht.
»Warum …« Sie schluckte und schaute ihn aus großen Augen an, die so schwarz waren wie die dunkle Nacht. »Warum hast du dann gedacht, dass ich feige bin und deshalb nicht zu dir komme?«
Mit Bedacht machte er noch einen Schritt auf sie zu. »Weil ich dir Angst gemacht hatte. Und es tut mir leid. Aber das, was dazu geführt hat, tut mir nicht leid.« Sanft und ruhig streckte er die Hand
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