Der Sommer der Lady Jane (German Edition)
Aber nur so aus Neugier – ist das so, weil ich Ihnen vor einigen Wochen geraten habe, endlich erwachsen zu werden? Oder weil ich recht hatte?«
Byrne bemerkte durchaus, dass Jason am liebsten nach diesem Köder geschnappt hätte. Auch er hätte nichts gegen eine kleine Prügelei einzuwenden gehabt, nichtsdestotrotz war er froh, dass der Junge entschlossen schien, sich zusammenzureißen.
Schließlich gab es keine Zeit zu verschwenden.
»Sie sind auf Kosten meiner Schwester entlastet worden. Sie werden verzeihen, wenn ich Ihnen keinen guten Abend wünsche.«
Jason machte auf dem Absatz kehrt und eilte zur Tür hinaus.
Byrne war wieder allein in seinem kleinen Haus, das immer noch nach Zimt und Jelängerjelieber roch. Nachdem er einen sehr langen Nachmittag in diesem dreckigen, kleinen Kellergefängnis verbracht hatte, brauchte er ein Bad, eine Mahlzeit und etwas zu trinken. Aber noch mehr als all das brauchte er Jane. Und er musste sich um eine unerledigte Angelegenheit kümmern.
Dobbs’ Hut und Mantel hingen nicht wie üblich am Haken neben der Tür. Ebenso wenig stand seine Tasche dort. Sehr wahrscheinlich, dass er die Flucht ergriffen hatte, nachdem Byrne verhaftet worden war.
Aber dann hörte er es. Das Geräusch war sehr leise, nurmehr ein Rascheln im Heu vor der Scheune. Und doch war ihm klar, was es zu bedeuten hatte.
Stille senkte sich über das Zimmer. Byrne ging in die Küche, griff nach einem Marmeladenglas, das Jane ihm nach einem ihrer Besuche dagelassen hatte, und einem trockenen Brotlaib. Dann stützte er sich schwerer als nötig auf seinen Stock und humpelte zur Haustür, öffnete sie und lächelte die beiden Männer an, die ihn bewachten.
»Ich gehe jetzt nach oben und lege mich schlafen«, verkündete Byrne mit ruhiger und kühler Stimme. »Jede Wette, dass es eine lange Nacht für Sie wird. Ist einer von Ihnen vielleicht hungrig? Ich habe eingemachte Brombeeren …« Er hielt ihnen das Marmeladenglas hin. Der dunklere von beiden sah seinen Kameraden an, zuckte die Schultern und machte einen Schritt auf Byrne zu.
Den Stock sahen sie nicht kommen.
Nachdem Byrne mit seinen beiden unglücklichen Bewachern kurzen Prozess gemacht hatte, bewegte er sich so lautlos wie eine Katze in der Nacht zu den Ställen hinter seinem Haus.
Er fand Dobbs damit beschäftigt, sein Pferd mit allen möglichen Vorräten zu beladen – in so ausreichender Menge, dass er erst wieder würde Rast machen müssen, wenn sein Pferd nicht mehr weiterkonnte.
»Sie hätten nicht zurückkommen sollen, Dobbs.«
»Oh, Captain!«, rief Dobbs erschrocken und fasste sich mit der Hand an die Brust. »Beinahe hätte ich mir vor Angst in die Hose gemacht!«
»Sie hätten einfach abhauen sollen.« Byrne ging langsam näher.
»Warum? Was soll das heißen?« Dobbs grinste nervös. »Sollten Sie nicht eigentlich im Gefängnis sitzen? Sie sind denen also entkommen. Echt schlau, Sir.«
»Hören Sie auf mit dem Gerede.« Byrnes Miene war fest wie Granit, seine Stimme täuschend ruhig. »Ich weiß, dass Sie der Straßenräuber sind, Dobbs. Ich will nur wissen, warum.«
26
»Zahle ich Ihnen nicht genug?«, fragte Byrne. »Liegt es daran?«
»Teilweise ja, ehrlich gesagt«, entgegnete Dobbs und ließ die Schultern sinken. »Es gab eine Zeit, in der Sie so viel Medizin geschluckt haben, dass Sie sogar vergessen haben, mich zu bezahlen. Und den Metzger, und den Schmied …«
Voller Scham erinnerte Byrne sich dieser Zeit, in der er sich mitschuldig gemacht hatte. »Aber deshalb hat es doch nicht angefangen, oder?«
»Nein. Die Sache ist nicht so einfach zu erklären.« Dobbs schüttelte den Kopf. »Es liegt alles schon eine Weile zurück.«
Byrne wartete, bis Dobbs mit seiner Geschichte herausrückte. Und während er wartete, spielte er wie zufällig mit seinem Stock, wohl wissend, dass Dobbs ihn beobachtete; und der wusste natürlich, was sein Herr mit dem Stock alles anrichten konnte.
»Es hat im Winter angefangen. In jener Nacht bin ich erst spät aus Manchester zurückgekommen, und Sie mussten ins Dorf fahren, um das Feuerholz zu holen. Als ich nach Hause kam, hockten Sie auf dem Fußboden in der Dachkammer, und im Arm hatten Sie diese Schatulle mit der gestohlenen Medizin. Sie haben den Kasten hin und her gewiegt wie ein Baby.«
Byrne brannte vor Scham das Gesicht, als er sich verschwommen daran erinnerte.
»Ich wusste, dass das Dorf sich über Sie hermachen würde. Also dachte ich … vielleicht kann ich die Leute
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