Der Sommer, der nur uns gehoerte
dich.«
Taylor sah hocherfreut aus. »Aber was ist mit Anika? Willst du sie nicht auch als Brautjungfer?«
»Hmm, vielleicht«, sagte ich, doch als ich eine Spur von Enttäuschung in ihrem Gesicht sah, fügte ich gleich hinzu: »Aber du musst meine Trauzeugin sein, ja?«
Tränen traten ihr in die Augen. »Es ist mir wirklich eine Ehre.«
Taylor Jewel, meine allerälteste Freundin. Wir hatten so manche harte Zeiten durchgemacht, und wir hatten sie heil überstanden. Ich wusste, das war ein groÃes Glück.
15
Als Nächste war Anika an der Reihe, und bei dem Gedanken war mir etwas mulmig. Ihre Meinung war mir wichtig. Ich wollte nicht, dass sie schlecht von mir dachte. Mit dem Angebot, Brautjungfer zu werden, konnte man Anika nicht ködern. Ob sie es wurde oder nicht, wäre ihr völlig egal.
Zusammen mit zwei weiteren Freundinnen, Shay und Linn, hatten wir beschlossen, im Herbst eine gemeinsame Wohnung im neuen Studentenwohnheim auf der anderen Seite vom Campus zu beziehen. Anika und ich wollten hübsches Geschirr kaufen, sie würde ihren Kühlschrank mitbringen, ich meinen Fernseher. Alles war durchgeplant.
Am Abend waren wir zusammen in ihrem Zimmer. Ich packte ihre Bücher in einen groÃen Karton, sie rollte ihre Poster zusammen.
Der Radiosender vom College spielte The Power of Good-Bye von Madonna. Vielleicht war das ja ein Wink des Schicksals.
Ich saà am Boden, packte gerade das letzte Buch ein und nahm meinen ganzen Mut zusammen, um es ihr zu sagen. Nervös leckte ich mir über die Lippen. »Ani, ich muss dir was sagen«, begann ich.
Sie kämpfte schon seit einer Weile mit dem Filmplakat an der Innenseite ihrer Tür. »Was gibtâs?«
Thereâs no greater power than the power of good-bye.
Ich schluckte. »Ich hab wirklich ein ganz schlechtes Gewissen, dass ich dir das antue.«
Anika drehte sich zu mir um. »Dass du mir was antust?«
»Ich kann nächstes Semester nicht mit dir zusammenziehen.«
Sie zog die Stirn so in Falten, dass ihre Augenbrauen sich in der Mitte trafen. »Was? Wieso? Ist was passiert?«
»Jeremiah hat mir einen Heiratsantrag gemacht.«
Einen Moment lang war Anika sprachlos. Dann sagte sie: »Mensch, Isabel, lass den ScheiÃ!«
Langsam hob ich die linke Hand.
Anika pfiff leise. »Wow. Das ist doch verrückt.«
»Ich weiÃ.«
Sie öffnete den Mund und schloss ihn wieder. »WeiÃt du, was du tust?«, fragte sie dann.
»Ich glaube schon. Ich liebe ihn wirklich.«
»Und wo wollt ihr wohnen?«
»In einer Wohnung auÃerhalb des Campus.« Ich stockte kurz. »Ich fühl mich bloà so mies, weil ich dich hängen lasse. Bist du jetzt sauer?«
Sie schüttelte den Kopf. »Nein, sauer bin ich nicht. Ich meine, klar, es ist schade, dass wir nicht zusammenwohnen können, aber ich finde schon noch jemanden. Vielleicht frage ich Trina aus meiner Tanzgruppe. Kann auch sein, dass meine Cousine Brandy zu uns ans College kommt, sie könnte dann als Vierte mit einziehen.«
Also war es gar nicht so ein Drama, dass wir nicht zusammenziehen würden. Das Leben ging vermutlich auch so weiter. Mir war ein bisschen wehmütig zumute bei der Vorstellung, wie es sein würde, wenn ich weiter die Nummer vier wäre. Shay konnte unheimlich gut Frisuren machen, und Lynn backte gern Cupcakes. Wir hätten sicher viel Spaà gehabt.
Anika setzte sich auf ihr Bett. »Ich komme schon klar. Ich bin bloà ⦠überrascht.«
»Ich auch.«
Als sie nichts weiter sagte, fragte ich: »Meinst du, ich mache einen groÃen Fehler?«
In ihrer typischen nachdenklichen Art stellte sie eine Gegenfrage: »Spielt es eine Rolle, was ich meine?«
»Ja.«
»Ein Urteil darüber steht mir nicht zu, Isy.«
»Aber du bist meine Freundin. Deine Meinung ist mir wichtig. Und ich will nicht, dass du schlecht von mir denkst.«
»Du machst dir viel zu viele Gedanken darüber, was andere Leute denken.«
Das klang entschieden, aber auch liebevoll.
Bei jedem anderen Menschen â meiner Mutter, Taylor, sogar bei Jere â hätte ich sofort die Stacheln ausgefahren. Nicht bei Anika. Bei ihr störte mich so etwas einfach nicht. Auf gewisse Weise schmeichelte es mir sogar, dass sie mich durchschaute und trotzdem gern hatte. Auf dem College funktionierten Freundschaften anders. Man war dauernd mit denselben Leuten
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