Der Sommer, der nur uns gehoerte
mehr aufhören. SchlieÃlich sagte ich: »Sag mal, Tay, wie weh hat es denn genau getan? So wie wenn dich jemand in den Bauch boxt?«
»Wer hat dich denn schon mal in den Bauch geboxt?«, fragte Anika interessiert.
»Ich habe einen groÃen Bruder«, erinnerte ich sie.
»Nee, anders«, sagte Taylor.
»Schlimmer als Menstruationskrämpfe?«
»Ja. Ich würde sagen, so ähnlich wie eine Spritze ins Zahnfleisch.«
»Na super, jetzt vergleicht sie das erste Mal mit einer Kariesbehandlung beim Zahnarzt.« Anika stand auf. »Hör nicht auf sie, Isy. Ich verspreche dir, es macht mehr Spaà als ein Besuch beim Zahnarzt. Es wäre vielleicht anders, wenn ihr beide noch Jungfrauen wärt, aber Jeremiah weià ja, wieâs geht. Der wird schon für dich sorgen.«
Taylor kriegte den nächsten Lachanfall. »Klar, er wirdâs ihr schon besorgen.«
Ich gab mir Mühe zu lächeln, aber mein Gesicht fühlte sich wie steif gefroren an. Jeremiah hatte schon mit zwei Mädchen geschlafen â seiner Highschool-Freundin Mara und jetzt mit Lacie Barone. Sicher wusste er, was zu tun war. Es wäre mir nur sehr viel lieber, er wüsste es nicht.
Â
Wir lagen alle in meinem Bett, Seite an Seite an Seite. Wir hatten das Licht schon aus und redeten noch. Anika schlief als Erste. Ich hatte hin und her überlegt, ob ich mich Taylor anvertrauen, ob ich ihr von Conrad erzählen sollte, davon, wie verwirrt ich gewesen war. Einerseits wollte ich es ihr erzählen, andererseits fürchtete ich mich davor.
»Tay?«, flüsterte ich. Sie lag neben mir, in der Mitte, denn ich lag ganz am Rand, weil ich bei Jere schlafen wollte, wenn die Jungs zurückkamen.
»Was?« Sie klang schläfrig.
»Etwas Verrücktes ist passiert.«
»Was?« Jetzt war sie hellwach.
»Conrad hat sich gestern an seinem Surfbrett geschnitten, und ich habe ihm geholfen, die Wunde zu versorgen. Dann war da auf einmal so ein ganz merkwürdiger Moment zwischen uns.«
»Habt ihr euch geküsst?«, zischte sie.
»Nein!« Doch dann flüsterte ich: »Aber ich wollte. Ich war â ich war nah dran.«
»Ujujuj«, sagte sie und seufzte leise. »Aber passiert ist nichts, stimmtâs?«
»Gar nichts. Ich bin nur ⦠so total durcheinander, weil ich es irgendwie schon wollte. Einen Moment lang.« Ich atmete tief aus. »Ich heirate in ein paar Tagen. Ich sollte doch nicht auf den Gedanken kommen, andere Jungs zu küssen.«
Leise sagte sie: »Conrad ist ja nicht âºandere Jungsâ¹. Er ist deine erste Liebe. Deine erste groÃe Liebe.«
»Du hast recht!«, sagte ich erleichtert. Schon fühlte ich mich besser. »Reine Nostalgie, das ist es.«
Taylor zögerte, dann sagte sie: »Es gibt etwas, wovon ich dir nichts erzählt habe. Conrad war bei deiner Mom.«
Mir blieb die Luft weg. »Wann?«
»Vor ein paar Wochen. Er hat sie überredet, zu deiner Brautparty zu kommen. Sie hat es meiner Mom erzählt, und die hat es mir erzählt.«
Ich schwieg. Das hatte er für mich getan?
»Ich hab es dir damals nicht erzählt, weil ich nicht wollte, dass deine Gefühle wieder verrückt spielen. Denn du liebst Jere doch, stimmtâs? Du willst ihn doch heiraten?«
»Mhm.«
»Bist du sicher? Hör mal â noch ist es nicht zu spät. Noch könntest du die ganze Sache abblasen. Es musst nicht an diesem Wochenende passieren. Du könntest dir mehr Zeit lassen â¦Â«
»Ich brauche nicht mehr Zeit«, sagte ich.
»Okay.«
Ich drehte mich auf die Seite. »Gute Nacht, Tay.«
»Gute Nacht.«
Es dauerte eine Weile, bis ihr Atem schwer und gleichmäÃig wurde. Ich lag neben ihr und grübelte.
Conrad passte noch immer auf mich auf. Leise stand ich auf, ging durchs Zimmer und tastete mit den Fingern über meine Kommode, bis ich es gefunden hatte. Mein gläsernes Einhorn.
45
Wenn Susannah uns am Einkaufszentrum oder an der Minigolfanlage absetzte, bekam Conrad jedes Mal die Verantwortung für uns alle übertragen. »Pass auf die anderen auf, Connie, ich verlass mich auf dich.«
Einmal trennten wir uns im Einkaufszentrum, weil die Jungs in die Spielhalle wollten und ich nicht. Ich war damals acht. Wir verabredeten uns für eine Stunde später. Ich ging direkt zum Glasbläser. Die Jungs wollten nie dorthin, aber ich liebte diesen Laden, in
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