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Der Sommer, der nur uns gehoerte

Titel: Der Sommer, der nur uns gehoerte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny Han
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brachte mich bald um. Wenn ich schwieg – wäre das egoistisch oder rücksichtsvoll?
    Als ich aus der Dusche kam, lief ich Conrad über den Weg. Ich konnte ihm nicht einmal ins Gesicht sehen. Bald darauf hörte ich, wie sein Wagen wegfuhr. Ich hatte keine Ahnung, wo er hinwollte, doch ich hoffte, er entfernte sich möglichst weit von mir. Es war zu früh für eine Begegnung, alles fühlte sich noch so wund an. Ich ertappte mich bei dem Wunsch, einer von uns wäre nicht hier, entweder er oder ich. Ich konnte nicht weg, schließlich würde ich heiraten, aber ich wünschte, er würde gehen. Dann wäre alles einfacher. Ein egoistischer Gedanke, das wusste ich. Immerhin gehörte das Haus zur Hälfte auch Conrad.
    Nachdem ich die Betten gemacht und das Gästebad gerichtet hatte, ging ich hinunter in die Küche, um mir ein Brot zu machen. Ich hatte geglaubt, die Luft sei rein. Doch da saß er und aß selbst ein Brot.
    Sobald er mich sah, legte Conrad sein Sandwich aus der Hand. Roastbeef, so sah es wenigstens aus. »Kann ich dich einen Moment sprechen?«
    Â»Ich wollte gerade in die Stadt, noch was besorgen«, antwortete ich und blickte dabei über seine Schulter hinweg, irgendwohin, nur nicht ihm ins Gesicht. »Für die Hochzeit.«
    Ich ging los, aber er folgte mir auf die Veranda hinaus.
    Â»Hör zu, das heute Nacht – das tut mir leid.«
    Ich schwieg.
    Â»Würdest du mir einen Gefallen tun? Könntest du bitte alles vergessen, was ich gesagt habe?« Ein mattes, ironisches Lächeln blitzte in seinem Gesicht auf. Am liebsten hätte ich ihm eine gescheuert, damit es verschwand. »Ich war nicht bei klarem Verstand gestern, besoffen wie ich war. Durch meine Rückkehr nach Cousins sind so viele Dinge wieder hochgekommen. Aber das ist Geschichte, graue Vorzeit, ich weiß. Ehrlich, ich erinnere mich kaum noch, was ich gesagt habe, aber egal, was es war, es war unangemessen. Es tut mir leid.«
    Einen Moment lang war ich so wütend, dass es mir vorkam, als hätte ich plötzlich das Sprechen verlernt. Ich bekam kaum noch Luft. Wie ein nach Luft schnappender Goldfisch fühlte ich mich, wie ich so den Mund öffnete und schloss und immer nur winzige Mengen Luft einsog. Kein Auge hatte ich letzte Nacht zugemacht, über jedes seiner Worte hatte ich mir den Kopf zermartert. Ich kam mir so blöd vor. Allein der Gedanke, dass ich geschwankt hatte, wenn auch nur eine Sekunde, einen Moment lang! Dass ich mir vorgestellt hatte, wie es wäre, ihn zu heiraten und nicht Jeremiah. Wie ich ihn jetzt dafür hasste!
    Â»Du warst nicht betrunken«, sagte ich.
    Â»Doch, war ich«, sagte er mit einem entschuldigenden kleinen Lächeln.
    Ich gab mir Mühe, es zu übersehen. »Erst kramst du diese ganzen Geschichten wieder hervor, ausgerechnet am Wochenende, an dem ich heirate, nur um mir jetzt zu sagen: Vergiss es! Du bist doch krank! Kapierst du nicht, dass man mit Menschen nicht so spielen kann?«
    Conrads Lächeln schwand. »Warte einen Moment, Belly …«
    Â»Sag meinen Namen nicht.« Ich tat einen Schritt zurück. »Denk ihn nicht mal. Überhaupt – ich will nicht, dass du je wieder mit mir sprichst.«
    Wieder lächelte er dieses angedeutete ironische Lächeln. »Das wäre allerdings schwierig – in Anbetracht der Tatsache, dass du meinen Bruder heiratest. Komm, Belly.«
    Eben noch hatte ich geglaubt, wütender könnte ich nicht sein, aber jetzt war ich’s doch. Ich war so zornig, dass ich die nächsten Sätze regelrecht ausspuckte. »Ich will, dass du weggehst. Erfinde eine deiner beschissenen Entschuldigungen und fahr. Wohin, ist mir völlig egal, meinetwegen zurück nach Boston oder Kalifornien. Nur hau endlich ab!«
    Seine Augen zuckten. »Ich geh hier nicht weg.«
    Â»Geh«, sagte ich und stieß ihn fort, heftig. »Geh einfach.«
    In dem Moment bemerkte ich die ersten Sprünge in seinem Panzer.
    Mit brüchiger Stimme fragte er: »Was hast du denn geglaubt, was ich dir sage, Belly?«
    Â»Kannst du mal aufhören, meinen Namen zu sagen!«, kreischte ich.
    Â»Was erwartest du denn, verflucht noch mal?«, brüllte er zurück. »Ich hab dich heute Nacht in mein Herz schauen lassen! Ich hab alles vor dir ausgebreitet, und du hast mich abgewiesen. Das war ja auch okay so, ich hätte wohl nichts von alldem sagen dürfen. Aber jetzt stehe

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