Der Sommer der Schmetterlinge
neben der Küchentür hatten sich in ein Gewirr aus Zweigen verwandelt. Die Sansevierien und Monsterae überwucherten den Hang hinter dem Haus, und im Obstgarten spendeten die Jabuticabas Schatten, während die schlanken Papayabäume von Früchten überquollen. Ein Sternfruchtbaumwar gewachsen, ohne dass es irgendjemand mitbekommen hätte, und nun leuchteten an seinen Zweigen gelbe Karambolen.
Nur der Geldbaum, den Maria Inês und João Miguel gesät hatten, wollte nie sprießen – doch die beiden hatten ihn ohnehin längst vergessen. Inzwischen jagten andere Bedürfnisse ihnen das Blut durch die Adern.
Nein, João Miguel wusste nicht. João Miguel würde niemals wissen. Aber er bemerkte, dass Maria Inês bei ihm zu Hause nicht besonders gern gesehen war, ein Zustand, der sich mit den Jahren zuzuspitzen schien.
Maria Inês wollte auch fortgehen. Nach Rio de Janeiro, ja, in die sagenumwobene Metropole. Sie hatte keine Ahnung, dass dort ein Bewunderer Whistlers auf sie wartete, den Kopf voller unfertiger Bilder, die in seinem jungen Leben auf und ab wogten.
Doch es war nicht so einfach herauszufinden, was Otacília und Afonso Olímpio planten. Welche Wahrheiten und Unwahrheiten sie für ihre Zukunft entwarfen. Maria Inês trieb die beiden zur Verzweiflung. Ihr falscher Gehorsam reizte sie, ihre ausweichenden und oft feindseligen Blicke reizten sie, ihre Verlogenheit. Sie führte sich auf, als hätte sie noch einen Trumpf im Ärmel. Stets rührte sie an Dinge, an die sie nicht rühren sollte, sagte Dinge, die zu sagen man sie nicht erzogen hatte – wie damals, als der Pater von Jabuticabais auf die Fazenda kam, um seinen jährlichen Segen zu geben, und sie ihn, nachdem sie seine schmale, kalte Hand geküsst hatte, fragte: Haben Sie eigentlich nie eine Frau kennengelernt, eine richtige Frau?Sie tauchte in unpassenden Momenten auf und bekam zu viel mit. Sie las heimlich, ritt gern Galopp (drei Mal war sie schon vom Pferd gefallen und hatte sich dabei ein Mal den Arm gebrochen) oder badete am Abend, wenn der Himmel verblasste, unter einem kalten Regenschauer im Fluss. Sie liebte es, Kröten und Käfer in die Hand zu nehmen.
Vor allem aber war da die Erinnerung an gewisse Zypressenzapfen, die man traurig verstreut auf dem Korridorfußboden gefunden hatte.
Maria Inês stieg immer noch gern zu dem verbotenen Steinbruch hinauf. Meistens allein. Im Sommer zusammen mit João Miguel.
Sieh mal da, die Ipê-Fazenda. Sie deutete hinunter ins Tal.
Jetzt fängst du schon wieder mit dieser Geschichte an.
Darauf schwieg sie, aber in ihren Ohren hallten die Schreie der toten Frau wider, in ihrer Vorstellung spiegelten sich die funkelnden Augen des Ehemanns (zwei Murmeln) und sein schäumender Mund. Dann formte sich auch das Bild des erschrockenen Liebhabers, seine ohnmächtige Nacktheit, sein geschrumpftes, jämmerliches Geschlecht, seine auf dem Boden des Zimmers herumliegende Kleidung, seine Hände noch heiß von ihrem Körper. Der kalte Schweiß auf seiner Stirn. Der erstickte Schrei in seiner Kehle.
Mit der Zeit verband João Miguel und Maria Inês etwas, das über die Doppelnamen hinausging. Eine Art zarte Übereinstimmung, wie sie zwischen Menschen entsteht,die ihre Zukunft vorherzusehen meinen, auch wenn die vorhergesehene Zukunft am Ende nicht ganz der Wirklichkeit entspricht.
Trotzdem musste alles seinen Lauf nehmen. Maria Inês wuchs heran, ohne groß um Erlaubnis zu fragen, sie war die unverkennbare Verheißung einer Frau. Mit fünfzehn. Zwei Jahre vor Tomás. In jenem Winter setzte sie einen fabelhaften Plan in die Tat um, obwohl das Vorhaben noch nicht einmal die Grenze ihres bewussten Wollens gestreift hatte.
Eines Tages erhielten sie die Nachricht vom Tod der Mutter João Miguels, die sich schließlich in ihr Schicksal ergeben hatte. Es war ein kalter, bedeutungsschwangerer Abend, einer dieser Abende, die angefüllt sind mit Erwartungen – und mit Geheimnissen. Jemand kam auf einem Pferd geritten, um die Nachricht zu verkünden. Dann verschwand dieser Jemand wieder, und alles blieb unverändert. Die Ärmste, aber jetzt kann sie sich endlich ausruhen, war der einzige Kommentar, den Maria Inês aus dem Mund ihrer Mutter vernahm. Und Afonso Olímpio sagte, Clarice wird im Namen unserer Familie zur Beerdigung gehen.
Maria Inês trat in den Garten hinaus. Sie war allein. Für gewöhnlich verbrachte João Miguel auch die Winterferien bei ihnen, aber in diesem Jahr hatte ihn etwas davon abgehalten. Vielleicht war
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