Der Sommer der silbernen Wellen: Roman (German Edition)
es wirklich nicht. Jedenfalls nicht in romantischer Hinsicht. Wenn man sich in jemanden verliebt, so glaubte ich, empfand man mit demjenigen eine spontane Verbundenheit, als würde ein elektrischer Schalter umgelegt und Strom fließen. So war es mir mit Jake ergangen. Von dem Moment an, in dem ich ihn zum ersten Mal gesehen hatte, hatte ich gewusst, dass er derjenige war, auf den ich gewartet hatte. Unsere Begegnung besaß etwas Schicksalhaftes. Als hätte sie in den Karten gestanden. Und tatsächlich war es so ähnlich gewesen.
»Ah, unser Neuling kann sogar Kartentricks!« Gabi Santiago, die sich immer an jeden Jungen heranmachte, war auf den Platz neben Jake gerutscht. Ich hatte gerade mit meinen Freundinnen Kristin und Lacey auf unserem Stammplatz in der Cafeteria gesessen, als Jake zu uns herübergekommen war, ein Kartenspiel in der Hand.
»Der große Geheimnisvolle«, schnurrte Gabi, als Jake lächelnd ein paar Karten abhob.
»Ich brauche eine Assistentin«, sagte Jake und schüttelte seine langen schwarzen Locken aus den dunklen Augen.
»Oh, bitte, bitte!«, quietschte Gabi.
Doch Jake lächelte mich an. »Mia, würdest du dir bitte eine Karte aussuchen?«
Mein Herz schlug wie ein Gong gegen meine Brust. Kristin bohrte mir ihren Ellenbogen zwischen die Rippen. Sie wusste, was ich für Jake empfand. Obwohl ich ihm niemals derart schöne Augen gemacht hätte wie Gabi Santiago, war er der Junge meiner Träume. Und meine Freundin wusste, dass das für mich etwas ganz Besonderes war.
»Nimm die Karte, Mia«, sagte Kristin und warf mir einen ermutigenden Blick zu.
Ich nahm die Karte. Es war die Herzdame.
Ich hatte mich Jungs gegenüber bisher zurückgehalten und flog nicht so schnell auf sie wie meine Freundinnen. Während Kristin und Lacey sich ständig ver- und entliebten, bei wechselndem gegenseitigen Interesse, wartete ich einfach ab. Manchmal fragte ich mich, ob der Junge, auf den ich wartete, überhaupt existierte. Bis Jake an unsere Schule kam. Da wusste ich es. Nur hatte ich nie geglaubt, dass er sich für mich interessieren würde. Er war viel zu cool und attraktiv, um ein schüchternes, unauffälliges Mädchen wie mich inmitten der Schar seiner weiblichen Fans überhaupt zu bemerken. Doch hier war sie nun, meine Herzdame in seiner Hand.
Während Jakes Kartentrick sagte ich kein Wort. Mein Gesicht glühte, doch er sah mich nur mit seinem schiefen Grinsen an. Der Trick war kompliziert und exzellent ausgeführt. Er schrieb meinen Namen auf die Herzdame und dann seinen Namen auf eine Karte, die er auswählte: den Herzkönig. Nach langwierigem Mischen fand er irgendwie beide Karten wieder und presste sie in seiner Handfläche zusammen. Als er losließ, blieb nur eine Karte übrig: Auf einer Seite zeigte sie die Herzdame mit meinem Namen, auf der anderen den Herzkönig mit seinem Namen.
»O mein Gott!«, krähte Gabi entzückt. »Du bist ja ein richtiger Zauberer!«
So leichtgläubig war ich nicht, zu vermuten, dass Jake tatsächlich gezaubert hatte. Die Einzelheiten fand ich nicht so schnell heraus, aber mein analytischer Verstand sagte mir, dass es nur ein Taschenspielertrick war. Und sorgfältige Planung: Jake war mit einer Trickkarte in der Tasche an unseren Tisch gekommen, eine zweiseitige Karte, auf der bereits unsere Namen auf je einer Seite standen.
Dennoch war es eine Art Magie, wenn auch eine andere: Jake war mit meinem Namen in der Tasche an unseren Mittagstisch gekommen. Er war meinetwegen an diesen Tisch gekommen.
Unsere Beziehung hatte also mit einer Illusion begonnen. Trotzdem hatte sich alles so echt angefühlt. Als wir eine Woche später zusammenkamen, war es für mich unglaublich und unvermeidlich zugleich. Nachdem ich so lange davon geträumt hatte, mich zu verlieben, erfuhr ich endlich, wie es in Wirklichkeit war.
So dachte ich zumindest. Als im zweiten Monat meiner Beziehung zu Jake die drei Wörter aus meinem Mund purzelten, ohne dass ich es gewollt hatte, saßen wir in seinem Auto. Ich hatte gar nicht vorgehabt, ihm meine Gefühle zu gestehen. Ich war in Jakes Nähe noch immer nervös und gehemmt. Aber an diesem Abend kamen mir die Wörter einfach von selbst von den Lippen.
»Ich liebe dich«, flüsterte ich ihm zu. Wir hatten uns geküsst, nach meinem Gefühl stundenlang. Jake drängte mich, weiterzugehen, und streifte mir die aufgeknöpfte Bluse von den Schultern, aber ich bremste ihn und hielt seine Hände fest. Ich war noch nicht bereit, mich ihm nackt zu zeigen. Sogar
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